Professional Services und/oder Managed Services? Zwischen zwei (Service-)Welten
An Managed Services führt kein Weg vorbei. Doch geht mit dem Bereitstellungsmodell auch eine Transformation einher, die den ITK-Channel auf den Kopf stellt. Für Systemhäuser stellt sich die Frage: Wie viel Managed Services soll es sein?
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Die Cloud ist im Channel angekommen. Inzwischen setzen laut einer Studie des Bitkom Research 76 Prozent der deutschen Unternehmen auf Cloud Computing. Mehr Effizienz und Flexibilität sowie ein höheres Tempo treiben Unternehmen dazu an, Workloads in die Cloud zu migrieren. Denn Cloud Services skalieren einfacher, verlangen nicht nach ständigen Investitionsanträgen und geben Zugang zu innovativen Technologien. Die Vorteile einer Cloud-Infrastruktur sind mannigfaltig, das Handling wird allerdings von Tag zu Tag komplexer. Weltweit sind demnach drei Viertel aller Unternehmen mit der Cloud überfordert, so die Ergebnisse einer Vanson-Bourne-Umfrage. Die Chance für Service Provider: Denn aufgrund der steigenden Komplexität der ITK-Systeme, der zunehmenden Bedrohungen aus dem Netz, der höheren Cloud-Akzeptanz und dem Fachkräftemangel treffen Managed Services den Bedarf vieler Kunden.
So steigt die Wahrnehmung und die Akzeptanz von Managed Services und damit auch ihre Bedeutung im täglichen Channel-Geschehen. Das bestätigen die Zahlen: Cloud-basierte As-a-Service-Abschlüsse verzeichneten vergangenes Jahr einen Quartalsrekord von 1,8 Milliarden Euro und damit eine Zunahme um 25 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal des Vorjahres. Grund dafür ist den Analysten von ISG zufolge unter anderem, dass Unternehmen weiterhin mehr und mehr Aufgaben in die Cloud verlagern. Managed Services legten im Vergleich zum Vorjahresquartal um 14 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zu. Das Vertragsvolumen wuchs um zwei Prozent auf zehn Milliarden Euro. Und ein Ende des Aufschwungs ist nicht in Sicht: Für das aktuelle Jahr prognostiziert ISG, dass der globale Markt für Cloud-basierte Services 2021 um 20 Prozent und der für Managed Services um drei Prozent wachsen werden.
Transformation zum MSP
Das enorme Potenzial hat das Gros der ITK-Akteure erkannt. Einige setzen nun sogar alles auf die Managed-Services-Karte. „Wir haben noch nie etwas verkauft – außer vielleicht mal ein Patchkabel“, betont Sven Launspach, CEO und Gründer von Kaemi, der dem klassischen Systemhausgeschäft zugunsten eines reinen Managed-Services-Portfolios den Rücken gekehrt hat. Ein ausschlaggebender Grund für die Neuausrichtung war die verbesserte Kundenbindung: „MSPs verstehen die Painpoints ihrer Kunden besser, da sie näher am Kundengeschäft dran sind als klassische Systemhäuser“, betont Launspach.
Das sieht auch Daniel Juhnke, Gründer und Geschäftsführer von Tec Networks, so: „Wir verwenden IT nicht zum Selbstzweck, sprich es muss immer ein Mehrwert für den Kunden entstehen. Und dieser ist deutlich größer, wenn wir durch Managed Services eine permanente Zusammenarbeit leben.“ Auch Juhnke hat mit seinem Unternehmen diesen Weg eingeschlagen und die dafür notwendige Transformation zum Managed Service Provider (MSP), an dem viele IT-Häuser noch laborieren, bereits hinter sich gebracht – allerdings nicht ohne einige grundlegende Veränderungen: „Wir sind Cloud-Spezialisten, und unsere gesamte Organisation macht nichts anderes mehr. Wir haben den Fokus gesetzt, andere Geschäftsbereiche abgebaut und eingestellt, anders wäre es aus unserer Sicht auch nicht gegangen, höchstens zu Lasten der Service-Qualität.“
Wir haben noch nie etwas verkauft – außer vielleicht mal ein Patchkabel.
Die Entscheidung zur strategischen Neuausrichtung fällt Systemhäusern allerdings nicht leicht, ist sie doch mit zahlreichen Hürden und einem enormen Kraftakt verbunden. Dennoch können klassische Systemhäuser am lukrativen Cloud-Geschäft nur partizipieren, wenn sie sich mit der notwendigen Konsequenz darauf einlassen. Die größte Hürde im Unternehmen liegt dabei im Umdenkprozess. Und zwar weg vom klassischen Projektgeschäft mit Marge, hin zu IT aus der Steckdose als Managed Service Provider.
Wir verwenden IT nicht zum Selbstzweck, sprich es muss immer ein Mehrwert für den Kunden entstehen. Und dieser ist deutlich größer, wenn wir durch Managed Services eine permanente Zusammenarbeit leben.
Dieser Change-Prozess fängt bei der Ansprache des Kunden an und zieht sich bis zu den Abrechnungsprozessen und den benötigten Skills der Mitarbeiter. Auch mit dem rasanten Wachstum des Cloud-Markts kongruent mitzuwachsen, fällt Service Providern oft schwer. Die größte Gefahr allerdings ist der Cashflow. Denn die Ertragssituation im MSP-Geschäft ist zwar deutlich besser, aber betriebswirtschaftlich gesehen haben Unternehmen zu Beginn erst einmal deutlich weniger Geldmittel zur Verfügung. Vor allem historisch gewachsene Systemhäuser sind oft zu abhängig von den Einnahmen aus ihrem Projektgeschäft, als dass sie mit den geringeren, wenn auch monatlich wiederkehrenden Erlösen aus dem Cloud-Geschäft einfach über die Runden kommen können. So befindet sich jedes Systemhaus zu Beginn des Transformationsprozesses in einem Balanceakt zwischen hohen Einmal-Leistungen aus dem Projektgeschäft sowie wiederkehrenden, jedoch geringeren Erlösen aus dem Cloud-Business. Darüber hinaus büßen Systemhäuser Boni und Rabatte ein, wenn sie weniger Umsätze mit den Produkten ihrer angestammten Hersteller erzielen und in deren Partnerprogrammen abgestuft werden.
Mix aus Professional und Managed Services
Vermutlich deshalb gibt es wohl aktuell auch wenige Systemhäuser, die wie Kaemi und Tec Networks auf das einmalige Projektgeschäft sowie den Verkauf von Komplettpaketen, bestehend aus Hard- und Software, verzichten und ausschließlich auf wiederkehrende Erlöse in Form von Managed Services aus der Cloud setzen. Doch nicht nur monetäre Gründe sprechen aus Sicht einiger Systemhäuser gegen ein reines Managed-Services-Portfolio. Manche Systemhäuser agieren bereits seit Jahrzehnten am Markt und haben gewachsene Strukturen gebildet, die nicht einfach so über Bord geworfen werden können. Eines dieser Systemhäuser ist beispielsweise Concat. Das Bensheimer Unternehmen startete 1990 am Markt, bietet seit 2003 Professional Services und führt seit 2013 auch Managed Cloud Services im Portfolio. Concat erzielte zuletzt einen Umsatz in Höhe von 154 Millionen Euro; rund 20 Prozent des Umsatzes entfielen dabei auf Managed Services. Vergleicht man diesen Anteil von Managed Services am Gesamtgeschäft mit Mitbewerbern, ist dieser noch relativ gering. Bei den Systemhauskollegen Bizteam und Midland IT macht dieser bereits zwischen 50 und 60 Prozent aus – mit steigender Tendenz.
Doch obwohl Managed Services einen gewichtigen Teil in ihrem täglichen Business ausmachen, haben auch sie sich gegen die Transformation zu einem „reinrassigen“ MSP entschieden. Wie bei Launspach und Juhnke stand auch bei Bizteam-Geschäftsführer Anton Braun der Kunde bei dieser Entscheidung im Mittelpunkt. Doch Braun zufolge geht eine Transformation zu einem reinen MSP auf Kosten der Kunden. Er sieht in der Kombination beider Servicewelten eine größere Chance, potenzielle Kunden zu adressieren, aber auch bestehende nicht zu verlieren. Auch Stefan Tübinger, Leiter der Technik bei Concat, sieht im Mix von Professional Services, die auf einem individualisierten, projektbasierten Offering basieren, und Managed Services, also standardisierte, immer wiederkehrende IT-Betriebsleistungen, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: „Als reiner Managed Service Provider zu agieren, würde uns einschränken, und wir könnten manche Lösungen, die Kunden nachfragen, nicht mehr bereitstellen. Das ist für uns keine Option. Denn trotz des Wachstums an Cloud Services gibt es in Deutschland noch zahlreiche Unternehmen, die beispielsweise aus Geheimhaltungs- und anderen Gründen eigene Systeme im Rechenzentrum betreiben oder betreiben lassen möchten. Und diese Kunden werden wir auch weiterhin mit allem bedienen, was sie an Hardware, Software und Netzwerktechnik benötigen.“
Als reiner Managed Service Provider zu agieren, würde uns einschränken, und wir könnten manche Lösungen, die Kunden nachfragen, nicht mehr bereitstellen. Das ist für uns keine Option.
Auch Midland-IT-Geschäftsführer Marc Hurrelmann sieht Gründe, die gegen ein reines Managed-Services-Portfolio sprechen: „Viele Unternehmen sind gedanklich noch nicht bei einem monatlichen Abo-Modell angekommen. Strategisch gibt es immer noch viele Kunden, die sich davor scheuen operative Kosten zu erhöhen. Investiert wird dann, wenn Geld vorhanden ist.“ So scheint das Abo-Modell nicht nur zu einer Cashflow-Problematik auf Seiten der Systemhäuser, sondern auch ein Problem auf Seiten der Unternehmen zu sein. Darüber hinaus ergebe es keinen Sinn, jeden Workload in der Cloud abzubilden. Das wäre laut Hurrelmann zu kaufmännisch gedacht. „Das Angebot von Managed Services ist eine andere Art der Zusammenarbeit, mit anderen Anforderungen und Verpflichtungen.“
Die Grenze zwischen den Service-Welten ist fließend
So unterschiedlich die Ansichten und Herangehensweisen beider Seiten auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie haben erkannt, dass die Akzeptanz auf der Anwenderseite bereits so gewachsen ist, dass sie die Cloud und Managed Services nicht ignorieren können. Doch ist die Grenze zwischen beiden Service-Welten vermutlich fließender als oft zugegeben wird: Manchmal kommt es bei dem „pure“ Managed Cloud Provider TecNetworks doch mal vor, dass klassische Professional Services erbracht werden. Allerdings gibt es dafür „eine klare Entscheidungsmatrix“. So erbringen die Friesen Professional Services nur, wenn es als Einstieg in ein Folgegeschäft mit Managed Services dient, wenn das Projekt aus technologischer Sicht interessant ist oder wenn „wir den Kunden so cool finden, dass wir zu der Zusammenarbeit einfach nicht Nein sagen wollen“, erklärt Juhnke. Summa summarum hat das Gros der Systemhäuser die Notwendigkeit, Managed Services im Portfolio zu führen, erkannt und bereits die Grundlagen für das Dienstleistungsmodell geschaffen. Dennoch erwirtschaften sie weiterhin einen mehr oder minder großen Teil mit klassischen IT-Leistungen. Laut dem IT-Servicepreisspiegel der Synaxon Akademie sind derzeit 38,67 Prozent der deutschen Systemhäuser mit dem Umbau ihres Geschäftsmodells beschäftigt.
IT-Projekte werden zunehmend schwieriger, auch für mittelständische Unternehmen und deren Systemhäuser. Einzelne Systemhäuser können die Komplexität solcher an sich ‚nicht sehr großen‘ Projekte häufig nicht mehr allein stemmen und schließen sich mit anderen zusammen.
Doch nicht nur Anwenderunternehmen, auch der ITK-Channel ist mit der steigenden Komplexität und Vielschichtigkeit der Cloud, aber auch mit der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit überfordert. Knowhow muss aufgebaut und kontinuierlich erweitert werden, und das mit dem wenigen Fachpersonal, das zur Verfügung steht. Laut Synaxon kämpfen 61,47 Prozent der Systemhäuser mit dem Fachkräftemangel. Da sich Managed Services zum Standardangebot entwickelt haben, müssen IT-Häuser, die sich im Markt behaupten wollen, ihre Komfortzone verlassen und sich vom Wettbewerb durch höherwertige, komplexere Services absetzen. Um diese wettbewerbsentscheidende inhaltliche Kompetenz aufzubauen, scheint eine Fokussierung unvermeidlich.
Partner-Ökosysteme entstehen
Tatsächlich setzt der Trend zum Cloud Computing viele ITK-Unternehmen unter Druck, das eigene Portfolio auf der einen Seite um spezialisierte Cloud-Produkte zu erweitern und den Kunden auf der anderen Seite einen ganzheitlichen Service zu bieten. In diesem Kontext rücken strategische Partnerschaften in den Vordergrund. Unternehmen können so das eigene Angebot um Cloud-Produkte erweitern, ohne weitere Expertise außerhalb des Kerngeschäfts aufbauen zu müssen. „Partnerschaften sind absolut essenziell, um unseren Kunden ein ganzheitliches Produkt bieten zu können. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur darum, die jeweiligen Produkte komplementär anzubieten. Die immer steigende technische Komplexität der Produkte macht es erforderlich, dass wir in Kooperationen mit unseren Partnern eigene Gewerke für die speziellen Problemstellungen entwerfen“, betont Oliver Mauss, CEO des Managed Cloud Providers PlusServer.
Das beobachtet auch Hubert Schweinesbein, Director EMEA Partner Programs & Development bei Red Hat: „IT-Projekte werden zunehmend schwieriger, auch für mittelständische Unternehmen und deren Systemhäuser. Einzelne Systemhäuser können die Komplexität solcher an sich ‚nicht sehr großen‘ Projekte häufig nicht mehr allein stemmen und schließen sich mit anderen zusammen.“ Der Grund dafür liege nicht nur in der technischen Vielschichtigkeit, denn auch Business- und Abrechnungsmodelle erfordern teilweise explizites Wissen, gerade wenn die Lösung eine Kombination aus Hard- und Software, On-Premises- und Cloud-Infrastruktur-Produkten von vielen Herstellern erfordert. Häufig schließen sich deshalb Partner mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen, um den reibungslosen Ablauf von Projekten zu gewährleisten. „Grundlegende Voraussetzung für den Erfolg solcher Partnerschaften sind klare ‚Rules of Engagement‘, gegenseitiges Vertrauen für den Bereich der Zusammenarbeit, aber auch das Verständnis dafür, in anderen Geschäftsfeldern trotzdem Wettbewerber zu sein“, unterstreicht Schweinesbein.
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