Channel Fokus 2019: TK & UCC Bye bye klassische TK

Autor Sarah Böttcher

Die All-IP-Umstellung war 2018 der Umsatzbringer schlechthin. Doch was kommt nun nach der endgültigen „IP-isierung“? Eins steht fest: Die Telekommunikation wird mittelfristig rückläufig sein und vollständig mit der IT verschmelzen.

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Der Telekommunikationsmarkt verliert mehr und mehr an Eigenständigkeit. Die „IP-isierung“ und die Digitalisierung treiben den Abschied von der klassischen Telekommunikation stetig voran.
Der Telekommunikationsmarkt verliert mehr und mehr an Eigenständigkeit. Die „IP-isierung“ und die Digitalisierung treiben den Abschied von der klassischen Telekommunikation stetig voran.
(Bild: MAK - stock.adobe.com)

Seit 2012 nimmt das Sprachvolumen weltweit stetig ab. So telefonieren wir laut der „20. TK-Marktanalyse Deutschland 2018“ des VATM (Verband für Telekommunikation und Mehrwertdienste) täglich im Schnitt nur noch etwa elf Minuten. Daran ändert auch die zunehmende Verbreitung von Sprach-Flatrates nichts. „Ein Grund dafür ist, dass Telefonate zunehmend durch Messaging ersetzt werden“, weiß TK-Experte Torsten Gerpott, Professor für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Diese Entwicklung bestätigt auch unser IT-BUSINESS Panel: 80 Prozent der Teilnehmer sehen Instant Messaging als das wichtigste Collaboration-Tool schlechthin. Die Digitalisierung hält somit nun auch Einzug in unser Kommunikationsverhalten. Und unsere Sprache, das komplexe System des Menschen sich auszudrücken, verliert langsam an Bedeutung und wird digital.

Datenhunger steigt, Telefonie sinkt

Dies bestätigen auch weitere Zahlen: Die Gesamtumsätze mit TK-Diensten gelten als stabil, jedoch in einigen Segmenten mit einer fallenden Tendenz. So verunsichert vor allem die rückläufige Zahl der Gesprächsminuten: Letztes Jahr schrumpfte das Festnetzsprachvolumen erneut um 15 Millionen Minuten auf 325 Millionen Minuten pro Tag (- 4,4 %) und das Mobilfunksprachvolumen leicht von 309 auf 306 Millionen Minuten pro Tag (- 1 %). Die Nutzung von Over-the-top-Verbindungen (OTT) nimmt hingegen laut der VATM-Studie im gleichen Zeitraum um 1,9 Prozent auf 265 Millionen Minuten täglich zu. Sie decken damit fast ein Drittel der Gesamtverbindungsminuten ab. Via OTT-Verbindung werden Video- und Audioinhalte wie beispielsweise bei Whatsapp online übermittelt, ohne dass ein Service Provider in die Verbreitung oder die Kontrolle der Inhalte involviert ist. So wird die Übertragung von Sprache, Bewegtbild und Text in Zukunft noch stärker auf Grundlage von Internet-Technologien abgewickelt. Dadurch gewinnen auch beispielsweise Web Real Time Communication (WebRTC) oder Videokonferenzen und Online-Meetings an Bedeutung. So sind letztere dem Digitalverband Bitkom zufolge von 2017 auf 2018 um zwölf Prozent angestiegen.

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Telekommunikationsmarkt: Tendenz (noch) stabil

In Deutschland wurden 2018 laut der „20. TK-Marktanalyse Deutschland“ des VATM rund 59,4 Milliarden Euro mit Telekommunikationsdiensten erzielt. Davon entfallen 32,8 Milliarden Euro (55,2 %) auf Festnetze und 26,6 Milliarden Euro (44,8 %) auf Mobilfunknetze. Der Umsatz des Gesamtmarkts stieg 2018 im Vergleich zum Vorjahr leicht um 0,1 Milliarden Euro (+ 0,2 %).

Noch ist der Telekommunikationsmarkt stabil. Vor allem die sinkenden Gesprächsminuten verunsichern jedoch das Business.
Noch ist der Telekommunikationsmarkt stabil. Vor allem die sinkenden Gesprächsminuten verunsichern jedoch das Business.
( Bild: VATM / Dialog Consult )

Seit 2013 ist der Umsatz bei den Geschäftskunden insgesamt um fast zehn Prozent gesunken. „Der Geschäftskundenmarkt ist seit Jahren rückläufig, da zum einen TK-Lösungen für Unternehmen günstiger geworden sind und zum anderen die Anzahl der Unternehmen aufgrund anhaltender Konsolidierungs-Trends abnimmt“, führt TK-Experte Torsten Gerpott aus. Jedoch bleibt der Umsatz dem VATM zufolge im Vergleich zum Vorjahr mit 21,6 Milliarden Euro stabil. Mit Blick auf die Marktentwicklung geht Gerpott zudem davon aus, dass 2019 die Gesamtumsätze – bei guter volkswirtschaftlicher Entwicklung – leicht auf knapp 60 Milliarden Euro steigen werden.

Der Datenhunger steigt, die Telefonie sinkt – dieser Trend zeigt sich anhand der Umsätze und wird sich den VATM-Prognosen zufolge in Zukunft fortsetzen. So soll der Umsatz mit mobilen Datendiensten 2018 erstmals mehr als die Hälfte (53 %) der gesamten Mobilfunkumsätze ausmachen. Vor allem der Datenverkehr aus Mobilfunknetzen beziehungsweise die mobile Internetnutzung soll 2018 besonders rasant gewachsen sein: Das Gesamt-Datenübertragungsvolumen ist vergangenes Jahr im Mobilfunkbereich voraussichtlich um fast 86 Prozent angestiegen – und damit so viel wie noch nie zuvor. Das Geschäft mit Datendiensten wird weiter wachsen, kann den Verlust mit Sprachdiensten jedoch über kurz oder lang nicht kompensieren.

„IP-isierung“ ermöglicht UCC

Das Jahr 2018 stand unter dem Stern der All-IP-Umstellung. Für viele TK-Systemhäuser bedeutete das volle Auftragsbücher, viel Arbeit und hohe Umsätze. Mit der ISDN-Abschaltung wird das analoge Netz digital, und die vollständige Verschmelzung von Telekommunikation und IT steht kurz bevor. Die „IP-isierung“ ist somit die Grundvoraussetzung, um die Sprachkommunikation in die digitale Welt zu integrieren und die Zusammenarbeit auf eine neue Ebene zu heben. Dieser Schritt war dringend notwendig, da die Teamarbeit und somit der Zeit-, Ort- und Geräte-unabhängige Austausch beflügelt durch die Digitalisierung an Bedeutung gewinnt. Durch SIP-basierte Telefonanschlüsse steht dem Einsatz von UCC-Lösungen und somit der Zusammenführung sämtlicher Kommunikationskanäle wie E-Mail, Videokonferenzen, Instant Messaging und klassischer Telefonie auf einer Plattform nichts mehr im Weg.

Viele Unternehmen erhoffen sich durch den Einsatz von Collaboration-Tools Mehrwerte für ihr Business. Laut der „Deutschen Social Collaboration Studie 2018“ des Management- und Technologieberatungsunternehmens Campana und Schott fördern Collaboration-Tools die Effizienz und Agilität, den Ideenaustausch sowie die Innovationsfähigkeit und verbessern die Unternehmenskultur sowie die Zusammenarbeit und Kommunikation über verschiedene Teams, Abteilungen und Hierarchie-Ebenen hinweg. Darüber hinaus führen sie zu Kosteneinsparungen, der Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden, und sie erhöhen die Mitarbeiterbindung – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht unbedeutender Faktor.

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Der Zweck einer UCC-Lösung besteht in der Optimierung des Arbeitsprozesses. Collaboration-Lösungen unterscheiden sich meist hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Kosten sowie in der Nutzung. Man differenziert zwischen lokal oder von Anbietern gehosteten Online-Anwendungen (Stichwort: SaaS). Erstere sollen sich durch mehr Sicherheit, letztere durch den Vorteil des Fernzugriffs auszeichnen. Eine Collaboration-Lösung setzt sich aus unterschiedlichen Tools für die Planung, Organisation und Analyse eines Unternehmens zusammen. So gibt es Tools wie Mind-Mapping, Filesharing und Features für das Management sowie die Echtzeit-Kommunikation. Vor allem für größere Unternehmen rentiert sich der Einsatz einer UCC-Lösung, denn mit einer wachsenden Zahl an Mitarbeitern und Projekten kann leicht der Überblick verloren gehen.

Qualität von Collaboration-Tools

Doch ist nicht alles Gold, was glänzt: Der freie Informationsaustausch ist technisch gesehen bereits permanent möglich, und das Angebots an Collaboration-Tools nimmt zu. Deren Qualität lässt jedoch meist zu wünschen übrig. Der Studie von Campana und Schott zufolge gelten vor allem die „intuitive Nutzung der Tools“ (68 %) sowie der Orts-unabhängige Zugriff auf Dokumente (62 %) als mangelhaft. Auch die Teilnehmer unseres IT-BUSINESS Panels wüschen sich bessere Komplettlösungen (72 %). Zudem „werden derzeit UCC-Anwendungen mit unterschiedlichem Grad an integrierter Funktionalität verkauft. In einigen Fällen können die Telefoniefunktionen besonders zuverlässig sein, aber die Konferenzsitzungen erfüllen möglicherweise nicht alle Anforderungen des Unternehmens. In anderen UCC-Angeboten mag die Zusammenarbeit besonders robust und benutzerfreundlich sein, aber die Telefoniefähigkeiten sind unausgereift“, erläutert Megan Fernandez, Senior Principal Analyst bei Gartner. Auch Unterbrechungen, Störungen und stockende Verbindungen verhindern die reibungslose Team-übergreifende Zusammenarbeit.

Wenn es nicht an der Qualität hapert, dann an der Verwendung der Tools durch die Mitarbeiter. Denn der „Besitz“ alleine reicht nicht aus. So verhindern vor allem die unzureichende Einführung und die Verankerung von UCC-Tools in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter deren Unternehmensnutzen. Campana und Schott sieht hier das Management in der Verantwortung, die Funktionsweise der Tools sowie ihre Mehrwerte im Unternehmen zu kommunizieren, Schulungen anzubieten und die Nutzung aktiv vorzuleben.

Communication as a Service

Kommen auf Unternehmen bei der Umstellung auf eine IP-basierte Appliance zunächst Mehrkosten zu, werden durch die Möglichkeit, die bestehende Hardware zu integrieren, sowie die vereinheitlichte Infrastruktur nachhaltig Kosten reduziert. Denn umso homogener die Kommunikationsumgebung, desto einfacher ist auch ihr Betrieb. Die Etablierung von UCC-Services gestaltet sich jedoch oftmals als schwieriges Unterfangen, weshalb Unternehmen immer öfter auf Cloud-basierte Tools zurückgreifen. Diese können den Betrieb von All-IP-Netzwerken und Collaboration-Tools einfacher, preiswerter und zuverlässiger gestalten. Hier kommen Managed Service Provider (MSPs) zum Einsatz: Denn die Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von All-IP-Services, wie die Kosten im Griff zu behalten und gleichzeitig die Qualität, Sicherheit, Managebarkeit und Flexibilität zu gewährleisten, lagern vor allem große Unternehmen an ITK-Fachhändler aus. MSPs führen beispielsweise regelmäßige Kontrollen der ITK-Infrastruktur sowie relevante Updates durch und kümmern sich um die Installation sowie die Instandhaltung der Systeme. Da nicht nur die interne, sondern in Zeiten steigender Kundenbindung vor allem auch die externe Kommunikation gewährleistet werden muss, die Komplexität von UCC-Services und der Bedarf nach einer schnellen Bereitstellung steigt, wird die Beratungsleistung der MSPs immer stärker gefordert werden. So wird diese in Zukunft vom netten Beiwerk zum eigentlichen geldwerten Produkt.

Zudem schaffen Firmen durch die Auslagerung an einen externen Dienstleister ihren Mitarbeitern den benötigten Freiraum, um Collaboration-Tools auch vollumfänglich in ihren täglichen Workflow einzubinden. Die Kosten für UCC-Lösungen können als Managed Service darüber hinaus gut kalkuliert werden, da diese skalierbar und flexibel buchbar sind und auch über ein Subskription-Modell monatlich abgerechnet werden können. Trotz der Verwaltung durch den MSP verlieren Unternehmen jedoch nie die Kontrolle über ihre Kommunikation.

UCC und der Channel

Da der Trend weiter zu UCC-Lösungen geht, das Angebot steigt, dadurch die Preise sinken und die Cloud zusätzlich Investitionshürden senkt, werden Collaboration-Lösungen in Zukunft auch für kleine Unternehmen interessant sein. Laut Gartner sind die Investitions- und Transformationsausgaben im gesamten Telekommunikationsgeschäft im vergangenen Jahr stark angestiegen, was diese Aussage unterstreicht. Analysten zufolge wird die Transformation der Kommunikationslandschaft sowie die Auslagerung beziehungsweise die Nutzung von Managed-Communications-Lösungen zunehmen. Denn stetig neue Anforderungen und Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, erhöhen die Komplexität von UCC-Lösungen. Der ITK-Fachhandel kann hier in seiner beratenden Rolle die Etablierung von UCC-Lösungen vorantreiben und dadurch neuen und vor allem auch langfristigen Umsatz generieren. In diesem Zusammenhang sehen auch 76 Prozent der im Rahmen des IT-BUSINESS Panels befragten ITK-Fachhändler Managed Services als den kommenden Umsatztreiber.

Bedingt durch den Wandel unseres Kommunikationsverhaltens müssen sich auch die Geschäftsmodelle des ITK-Channels transformieren. Einige Distributoren haben bereits UCC-Lösungen in ihr Managed-Services-Portfolio integriert. Auch die UCC-Angebote der TK-Hersteller aus der Cloud wachsen beständig. So werden die Umsatzmöglichkeiten laut den Gartner-Analysten weiterhin in die Cloud übergehen, wobei Telefoniefunktionen, die größtenteils über standortbezogene Angebote bereitgestellt werden, zunehmend über rein Cloud-basierte Service-Ansätze erworben werden.

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Kommentar: Künstliche Intelligenz unter Artenschutz

Vor Kurzem stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine Nationale Industriestrategie 2030 vor. Diese sieht vor, dass der Staat in „gerechtfertigten oder notwendigen Fällen“ tätig werden und in die Industrie eingreifen kann. Das Ziel dahinter: „Die Sicherung und Wiedererlangung von wirtschaftlicher und technologischer Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Führerschaft.“ So stehen beispielsweise Schlüsselbranchen und -firmen, die neuartige Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz entwickeln, ab sofort unter Artenschutz. Doch ist Altmaiers Weg der richtige? Ist es sinnvoll, dass sich der Staat einmischt? Eins steht fest: Es ist dringend notwendig, dass die Zukunftsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte rückt. Denn zahlreiche technologische Entwicklungen aus dem Bereich IoT, KI und VR stehen in den Startlöchern und warten nur darauf, beispielsweise als UCC-Anwendung zum Einsatz zu kommen. Was fehlt, ist vor allem das rechtliche Rahmenwerk dahinter. Hier sollte der Staat eingreifen und Rechtsgrundlagen vorantreiben.

Ausblick

Neben der Transformation der Geschäftsmodelle dürfen im Zuge der Digitalisierung auch neue Technologien (siehe Kommentar) nicht unbeachtet bleiben. Der Einsatz von Big-Data-, IoT- und KI-basierten UCC-Lösungen bietet zahlreiche Mehrwerte, wie die Entlastung von Mitarbeitern, die Einsparung von Kosten und schlussendlich die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. KI- und VR-Technologien können beispielsweise nutzbringend bei der Kundenbetreuung (Stichwort: Chatbot) oder für Produktpräsentation eingesetzt werden. Doch bei der Integration von KI-Anwendungen in UCC-Tools ist noch Luft nach oben. Der Einsatz neuer Produkte und Dienste treibt die Transformation des eigenen Geschäftsmodells voran, und es ergeben sich zusätzliche Erlösquellen.

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