Channel Fokus: IoT, Smart Manufacturing Die schlaue Fabrik: Industrie trifft IT
Computer sind bereits vor 40 Jahren mit der dritten industriellen Revolution in die Fabriken eingezogen. Allerdings entwickelte sich die fortschreitende Automatisierung getrennt von der IT. Mit der vierten industriellen Revolution wachsen die beiden Welten nun zusammen.
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Bei der Automatisierung hat die Computertechnik der Industrie den Weg zur effizienten und günstigen Massenproduktion geebnet. In der Smart Factory geht es nicht mehr darum, möglichst schnell viele gleichartige Produkte herzustellen, sondern eine flexible, kundenzentrierte und nachhaltige Produktion aufzubauen. Wer Weg zu dieser Industrie 4.0 führt über eine umfassende Vernetzung, das industrielle Internet der Dinge (IIoT). Die Vernetzung erfolgt dabei auf verschiedenen Ebenen.
Auf der untersten Ebene kommunizieren mit Sensoren ausgestattete und sich situativ selbst steuernde Maschinen miteinander, um so Produktion und Logistik zu optimieren. Maschinen melden selbst, wenn sie neues Material benötigen, optimale Lieferprozesse werden durch Algorithmen berechnet. Die Vernetzung erfolgt unter Einbeziehung von Lieferanten und Transporteuren. Ein weiterer Schritt ist die direkte Einbeziehung der Kunden, die Produkte nach ihren Wünschen mitgestalten. Smarte Produkte können Daten an den Produzenten übermitteln und so zur Verbesserung der Produktion beitragen. Die erfolgt zunehmend in kleinen, konfigurierbaren Modulen und mit dem Einsatz kooperativer Roboter, die direkt mit Menschen interagieren. Zudem wird bereits im Designprozess auf die Nachhaltigkeit der Produkte geachtet, und diese werden datengestützt über den Lebenszyklus hinweg beobachtet.
Umfassende Digitalisierung von Produktion und Logistik
In diesem industriellen IoT spielen das Sammeln und die Auswertung von Daten eine zentrale Rolle. Die Analyse einer möglichst großen Datenmenge mit Big-Data-Verfahren kann nicht nur dabei helfen, die Produktion zu optimieren, sondern auch mittels Predictive Maintenance den Grad der Abnutzung von Maschinen permanent zu verfolgen und mögliche Fehler schon im Vorfeld zu erkennen, bevor sie zu einem Ausfall führen. Diese vorausschauende Wartung spielt dabei nicht nur bei Maschinen in der Produktion eine Rolle, sondern auch bei fertigen Produkten, die beim Kunden im Einsatz sind. Dabei werden „digitale Zwillinge", also Simulationen der realen Systeme verwendet.
Digital Twins, also die datenbasierte Simulation von einzelnen Maschinen bis hin zur kompletten Fabrik, sind ein zentraler Bestandteil der Industrie 4.0. Sie dienen als Basis für Predictive Maintenance, da sich durch die Analyse von Sensordaten Abweichungen von Sollwerten erkennen und darauf basierend Eintrittswahrscheinlichkeiten von Fehlern errechnen lassen. Intelligente Systeme schlagen hier eigenständig Alarm und bieten Lösungen zur Fehlerbehebung an. Eine Optimierung der Produktion mit der Hilfe von Machine-Learning-Verfahren ist ohne Digital Twins nicht möglich, da das Lernen aus Versuch und Irrtum hier immer zum Prozess gehört. Bei digitalen Zwillingen dürfen und sollen sogar Fehler auftreten. In einer realen Produktionsumgebung ist das keine Option.
Bei der Produktentwicklung werden Digital Twins seit Jahren verwendet. Sie erlauben Designänderungen in der Entwicklungsphase schneller als bei realen Prototypen. Ein Beispiel ist die Automobilentwicklung, bei der sich unterschiedliche Umwelt- und Straßenbedingungen sowie Crashtests simulieren lassen, noch bevor das erste Auto gebaut ist. Bei der Produktpflege können auf Basis von gesammelten Sensordaten Schwachstellen identifiziert und behoben werden. Die Daten von digitalen Zwillingen können auch genutzt werden, um Kunden Produkte in virtueller Form mit verschiedenen Ausstattungsvarianten zu präsentieren. Die gewählte Ausstattung kann dann gleich in das Produktionssystem übergeben werden.
Von der Automatisierung zur Digitalisierung
Datenerfassung ist in der Industrie nichts Neues. Seit den 1990er Jahren werden Betriebs-, Machinen- und Personaldaten durch Manufacturing Execution Systems (MES) gesammelt und ausgewertet, um die Produktion besser zu steuern. Allerdings wurden diese Systeme ursprünglich als Insellösungen einzelner Hersteller entwickelt, was die IIoT-Einbindung erschwert. Daher rüsten die MES-Anbieter nun ihre Systeme mit entsprechenden Schnittstellen nach oder bauen sie gleich zu IIot-Plattformen um, die Konzepte wie die Cloud, Microservices, Big Data und Machine Learning integrieren. Wichtige Anbieter in diesem Bereich sind etwa Siemens mit MindSphere, das vom Hersteller als „offenes IoT-Betriebssystem” bezeichnet wird, Bosch mit der IoT Suite, die iTAC mit der MES.Suite, Forcam mit Force Bridge oder Schneider Electric mit EcoStruxure.
Ältere Anlagen, die noch nicht über die notwendigen Sensoren verfügen, um etwa die für Predictive Maintenance notwendigen Daten zu liefern, können mit Sensoren und Netzwerktechnik wie IoT-Gateways nachgerüstet werden, um so Daten zu sammeln und zu übermitteln. Dabei muss nicht unbedingt in die Struktur oder die Steuerung der Maschinen selbst eingegriffen werden. So können etwa Mikrofone oder Vibrationssensoren bevorstehende Lagerschäden an Maschinen erkennen. Die Erfassung der Leitungsaufnahme einzelner Elektromotoren kann ebenfalls wertvolle Daten liefern. Teilweise bieten die Hersteller der Anlagen dieses digitale Retrofitting selbst an, oder es wird mit Lösungen von Drittanbietern gearbeitet.
Die Auswertung der Daten kann dann in Edge-Computern oder Rechenzentren ablaufen, sie können gleich in die Cloud wandern, oder sie können an beiden Orten verarbeitet werden. Zeitkritische Abläufe, etwa bei der Überwachung kooperativer Roboter,sollten besser mit Edge-Rechnern erfasst werden. Massendaten für Predictive Maintenance werden dagegen besser in der Cloud analysiert. AWS, Microsoft Azure, die Google Cloud oder die IBM-Cloud bieten entsprechende Anwendungen an, die dann in das eigene IIot integriert werden. Teilweise nutzen auch die Anbieter von IIot-Plattformen die Public Cloud direkt. An der Standardisierung von IIoT-Infrastukturen arbeiten mehrere Industriegremien wie etwa die OpenAPI Initiative, das Industrial Internet Consortium (IIC) oder die OPC Foundation. An Ihnen sind etliche IT-Firmen beteiligt.
Industrie 4.0: Aufgaben für den IT-Channel
Der IT-Channel spielt bei vielen Komponenten des industriellen IoT keine große Rolle, außer wenn Systemhäuser zusätzlich Expertise in Feldern wie Anlagen oder Maschinenbau besitzen. Aber er wird dort wichtig, wo seine spezifischen Kompetenzen gefragt sind. Eine wichtige Aufgabe ist der Aufbau von Netzwerken, wie auch unsere Panel-Umfrage belegt. Denn im IIoT müssen viel mehr Systeme und Sensoren über LAN und drahtlose Netze kommunizieren als in einer konventionellen Fabrik. Auch beim Retrofitting, der Planung und dem Betrieb von Edge-Infrastrukturen, bei der Cloud-Anbindung und der Datenanalyse ist der IT-Channel gefragt.
Idealerweise sollen Systemintegratoren aus Anlagen- und Maschinenbau sowie IT-Systemhäuser schon in der Planungsphase von IIoT-Projekten mit den betreffenden Fachabteilungen der Kunden zusammenarbeiten. Ein eminent wichtiges Aufgabenfeld für IT-Systemhäuser ist die IT-Sicherheit. Da Smart Factories bis hinunter zur Produktionsebene ans Internet angebunden sind, steigt natürlich die Gefahr von Cyberattacken oder Industriespionage. Neben der direkten Absicherung des Netzwerks muss auch das Personal der Kunden entsprechend geschult werden.
Die Rolle der Distribution
Die Distribution hat die Themen IIoT und Smart Factory ebenfalls für sich entdeckt. Dabei sind es vor allem die VADs, die Systemhäusern und deren Kunden bei der Entwicklung individueller IIoT-Lösungen unterstützen und die sich um die Qualifizierung von Partnern bemühen. Ingram Micro hat bereits 2015 ein „Team Digitale Transformation“ aufgebaut, das gemeinsam mit Kooperationspartnern Systemhäuser unterstützt, sie individuell berät oder spezifische Workshops mit ihnen veranstaltet. Tech Data AS hat 2017 eine Solution Practice für Next Generation Technologies gebildet, in der IoT, Analytics und Cloud zusammengefasst sind. Arrow ECS arbeitet bei IIoT-Projekten mit der Konzernschwester Arrow Electronic Components zusammen, die elektronische Bauteile für die Industrie vermarktet. Laut Marcus Adä, Vice President Sales für Zentral- und Osteuropa bei Arrow ECS, ist seine Firma der einzige Distributor, der Industrie- und IT-Kompetenz unter einem Dach vereint. Also hat vor einem Jahr ein IoT Innovation Lab in Berlin eröffnet.
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