Lizenzübertragung oder illegaler Key-Verkauf? Die Krux mit der Gebraucht-Software
Am Thema Gebraucht-Software scheiden sich die Geister. Die einen beharren auf der gültigen Rechtsprechung und finden gut, dass Software nicht verschleißt; die anderen fassen das Thema nicht mal mit der Zange an. Sven Langenfeld, Gründer des „Windows Server Kompetenz Clubs“, legt dar, warum der Teufel im Detail steckt.
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Sven Langenfeld ist Windows Commercial Category Lead DACH bei Microsoft Deutschland. Die Knackpunkte beim Thema Gebraucht-Software kennt er als Gründer des inzwischen 6.000-Mitglieder-starken Windows Server Kompetenz Clubs. Dort gibt es die Problematik, dass in den letzten Monaten vermehrt Partner aus der Community von ihren Kunden verklagt wurden, nachdem festgestellt wurde, dass diese ohne rechtlich einwandfreie Lizenzen Microsoft-Software in Einsatz haben. Vor diesem Hintergrund gibt Langenfeld im Folgenden keine offiziellen Microsoft-Statements, sondern Auskunft über die verzwickte Sachlage als Vertreter der Mitglieder des Windows Server Kompetenz Clubs.
Die Rechtslage
Microsoft achtet das deutsche und europäische Recht und wird nichts dagegen unternehmen, dass Händler entsprechend der Richtlinien mit Gebraucht-Software handeln können, betont Langenfeld. Aber Microsoft habe auch einen Auftrag gegenüber seinen Partnern sowie Kunden, und leider sei es häufig so, dass unter dem Deckmantel der gebrauchten Software etwas verkauft wird, was nach der Rechtsprechung keine gebrauchte Software ist, sondern lediglich illegal vertriebene Aktivierungskeys. Böse Absicht und wissentliches Handeln sind hier meist gar nicht das Problem. Vielmehr gibt es viele Microsoft-Partner und -Kunden, die auf diese Angebote reinfallen, welche unter dem Deckmantel „Gebraucht-Software“ gehandelt werden, sich aber als etwas anderes herausstellen. Dann wird sich mitunter direkt an Microsoft gewandt, mit der Bitte um Hilfe, damit so etwas nicht nochmal passiert.
Das „Drei-Euro-Windows-10“
Bevor das Thema Gebrauchtsoftware populär wurde, gab es die Situation, dass über etliche Online-Marktplätze Microsoft-Produkte für wenige Euro angeboten wurden. Selbst einige seriöse IT-Fachmagazine gaben und geben Tipps, wie man sich für drei Euro Windows 10 über genau diese Marktplätze kaufen kann, weiß Sven Langenfeld. Das Problem dabei: Die Händler schicken nur einen Key plus Downloadlink und behaupten, dass es sich um Neuware aus Überbeständen, Großabnahmen et cetera handelt. Dabei sind es in der Mehrzahl illegal vertriebene Keys, wie zahlreichen Testkäufe aus dem Hause Microsoft bestätigt haben, verrät der Manager. Darauf sind gewerbliche Kunden und Reseller ohnehin nicht reingefallen. „Mittlerweile werden diese Keys aber als gebrauchte Software angeboten, und die Preise sind auch gestiegen. Das sieht nun wesentlich realistischer aus und ist somit interessant für den gewerblichen Einsatz. Die Angebote für drei Euro gibt es zwar auch noch, doch damit werden hauptsächlich private Kunden gelockt“, so Langenfeld.
Das Problem
„Der Knackpunkt ist die Abgrenzung zwischen illegal vertriebenen Keys und legaler Gebrauchtsoftware. Ich kann allerdings aufgrund der Rechtsprechung nicht sagen: Wenn nur ein Key verkauft wird, ohne zusätzliche Komponenten, wie ein Medium oder ein Echtheitszertifikat, dann handelt es sich um illegal vertriebene Software. Diese Schlussfolgerung ist nicht zulässig, auch wenn sie vieles vereinfachen würde. Man kann eben auch „Keys-only“ vertreiben, sofern dahinter ein zulässiger Gebraucht-Software-Verkauf steht“, skizziert Langenfeld die Problematik. Denn: Es gibt schließlich auch den ESD-Handel (elektronische Software-Distribution), bei dem nur Keys übermittelt werden. „Was Sie nicht vernachlässigen dürfen, ist die Quelle, von der die Software runtergeladen wird“, so Langenfeld. „Die wenigsten Anbieter verweisen auf offizielle Microsoft-Seiten, da es diese für manche Produkte, wie beispielsweise Windows Server, auch gar nicht gibt. Passen Sie also auf, wenn Sie etwas downloaden, damit Sie nur das bekommen, was Sie tatsächlich haben wollen“, rät der Microsoft-Manager.
Der Channel
Doch wie soll der Partner und sein Kunde allgemein gesprochen zwischen legal erworbenen Keys und illegal vertriebenen Keys unterscheiden? Immerhin darf auf Komplettpaketen oder Volumenlizenzverträgen der Key entnommen und alleine weiterverkauft werden. Langenfeld spielt ein praxisnahes Szenario durch und ergänzt: „Wenn ein Volumen-Lizenzvertrag von einem Gebraucht-Software-Händler aufgekauft wurde, dann darf er auch lediglich Teile daraus weiterverkaufen. Das ist rechtlich absolut in Ordnung“, bewertet Langenfeld.
Daher liegt die Krux mit der Gebraucht-Software an der fehlende Transparenz, ob ein Angebot aus dem legalen Handel oder aus dem illegalen Handel stammt. Die Rechtsprechung zur Gebrauchtsoftware erlaubt zwar wie oben erwähnt auch den Verkauf von Software-Keys ohne weitere Dokumentation, aber ein auf Sicherheit bedachter Kaufmann könnte ja in der Praxis vor dem Hintergrund solcher juristischen Probleme auf weiterführende Unterlagen bestehen.
Die Dokumentation
Grundsätzlich ist diese Herangehensweise sehr hilfreich. Doch auch dabei gibt es Fallstricke und Tücken: „Nehmen wir erneut das Beispiel eines Gebraucht-Software-Händlers, der 1.000 Nutzungsrechte einer Software kauft und dafür eine Dokumentation besitzt, bei der der ursprüngliche Kunde bestätigt: Ich übertrage hiermit diese Lizenzen an den Händler und bestätige, dass ich sie nicht mehr nutze und die Software gelöscht habe“, führt Langenfeld in die Problematik ein. Dokumentationsseitig wäre hier auf den ersten Blick alles rechtens. Aber: Woher weiß der Kunde, ob dieses Dokument echt ist? Vielleicht ist es echt, wird aber genutzt, um eine Vielzahl von illegal vertriebenen Keys legal aussehen zu lassen? Das Problem der fehlenden Transparenz bleibt hier trotz einer vorliegenden Dokumentation bestehen (siehe auch: Kasten „Windows 10 für drei Euro“).
Der gesunde Menschenverstand
Also sollten sich Reseller doch auf gesunden Menschenverstand, Kaufmannsehre und Plausibilitätsabschätzungen bei Gebraucht-Software-Angeboten verlassen? Langenfeld beschreibt, warum diese Vorgehensweise ihre Grenzen hat: „Konzentrieren wir uns mal auf das Business-Umfeld: Wir haben häufig die Situation, dass ein Reseller, gemäß dem gesunden Menschenverstand sagt: ‚So eine Windows-Server-Lizenz für Datacenter, die normalerweise mehrere Tausend Euro kostet, bekomme ich für einige Hundert Euro angeboten – das kann nicht sein.‘ Wie reagieren die Händler illegal vertriebener Keys darauf? Sie erhöhen die Preise. Hoch genug, um nicht unglaubwürdig zu wirken, aber deutlich unter dem Marktpreis, um das Interesse anzuziehen. Und diese Angebote findet man sowohl in deren Webshops als auch auf seriösen Handelsplattformen.“
Die Praxis
Langenfeld nennt ein Beispiel: „Eines unserer Club-Mitglieder [Anm. d. Red.: Windows Server Kompetenz Club] betreut eine Stadtverwaltung. Diese hat eine Ausschreibung gemacht für neue Hardware mit Windows 10 und dazu Office. Unser Händler hat auf Basis von neuen Lizenzen angeboten und ein anderes Systemhaus auf Basis von Gebrauchtsoftware. Der Wettbewerber war wesentlich attraktiver im Preis und hat den Zuschlag bekommen.“ Das Systemhaus aus dem Windows Server Kompetenz Club, das den Kunden seit Jahren betreut, hatte allerdings Einblick in den Vorgang und fand es seltsam, dass zur Dokumentation lediglich eine Excel-Liste mit vielen Keys geliefert wurde. Langenfeld hat auf Nachfrage diese Keys prüfen lassen, und es hat sich herausgestellt, dass alle Windows-10-Keys illegal verbreitete Windows-7-Keys waren. Beim Office kamen die Keys aus unterschiedlichen Quellen, wobei keine davon für den legalen Verkauf geeignet war. Es war ein bunter Mix aus Keys, die nicht für den Vertrieb im europäischen Raum freigegeben oder nicht dazu gedacht waren, außerhalb einer bestimmten Nutzergruppe eingesetzt zu werden. Einer Prüfung hätte das in keinem Fall standgehalten. „Ich empfahl der Stadtverwaltung sich an unseren Produktidentifikationsservice zu wenden, um es auf Echtheit prüfen zu lassen. Sie hat sich aber dazu entschlossen, beim liefernden Systemhaus nachzuhaken, welches sich dann mehrfach entschuldigt hat. Das mit den Windows-7-Lizenzen sei ein Fehler im System gewesen, und auch bei Office gab es einen Systemfehler beim Lieferanten.“ Eine eingereichte, neue Key-Liste war aber ebenso wenig legal.
Die Krux
Ein Gedankenspiel verdeutlicht eine grundlegende Problematik: Angenommen ein Händler von gebrauchter Software kauft 1.000 Nutzungsrechte einer Software und hat dies gut dokumentiert. Woher weiß der Endkunde, dass dieser Händler auch nur maximal 1.000 Stück weiterverkauft? Nehmen wir an, er verkauft 200 an Kunde A, 200 an Kunde B, 200 an Kunde C, 200 an Kunde D und 200 an Kunde E. Jedem gibt er jeweils eine Kopie seiner Dokumentation über den Erwerb der 1.000 Nutzungsrechte. Damit ist er eigentlich fertig. Alles ist verkauft, aber wer hindert ihn daran, nochmal 200 Lizenzen an Kunde F mit einer weiteren Kopie seiner Dokumentation zu verkaufen. Ab dem Zeitpunkt ist es nicht mehr legal, aber für den Käufer ist das nicht transparent.#
Die Empfehlung
„Wir wissen, dass von vielen Partnern verlangt wird, dass sie gebrauchte Software anbieten. Deshalb empfehlen wir vom Windows Server Kompetenz Club unseren Mitgliedern, dass sie dies nur unter der Auflage tun, dass ihnen der Kunde schriftlich bestätigt, dass er über die Risiken aufgeklärt wurde und im Falle einer negativen Prüfung selbst die Verantwortung trägt, da eben weder der Reseller noch der Endkunde einwandfrei prüfen kann, ob es sich um legal vertriebene Lizenzkeys handelt. Somit liegt die Verantwortung zu 100 Prozent beim Kunden“, so Sven Langenfeld als Vertreter der über 6.000 Mitglieder des Windows Server Kompetenz Clubs.
Allerdings bemüht sich die Gebraucht-Software-Distribution mit schlüssigen Dokumentationen, die keine Fragen offen lassen, rechtliche Unsicherheiten aus dem Vertrieb gebrauchter Software zu nehmen. IT-BUSINESS wird die Möglichkeiten und Knackpunkte hierbei in Kürze näher beleuchten.
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