Distributionsprofi geht in Ruhestand Michael Dressen verabschiedet sich von Tech Data

Von Michael Hase

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Michael Dressen geht nach zehn Jahren an der Spitze von Tech Data und nach mehr als 40 Jahren in der ITK-Branche in den Ruhestand. Nach seiner Einschätzung hat sich das Geschäftsmodell der Distribution während dieser Zeit nicht grundlegend verändert.

Michael Dressen, scheidender DACH-Geschäftsführer bei Tech Data, rechnet damit, dass politische Veränderungen die Distribution stärker beeinflussen werden als technologische Umbrüche.
Michael Dressen, scheidender DACH-Geschäftsführer bei Tech Data, rechnet damit, dass politische Veränderungen die Distribution stärker beeinflussen werden als technologische Umbrüche.
(Bild: Tech Data)

Eine Ära endet bei Tech Data: Michael Dressen, Regional Managing Director DACH, verabschiedet sich Ende Juli in den Ruhestand. Der Manager zeichnet seit 2012 von München aus für die Geschäfte des Distributors in Deutschland und Österreich verantwortlich, seit Mitte 2018 auch für das Geschäft in der Schweiz. Zudem gehört er dem European Executive Board des US-Unternehmens an, das sich im September 2021 mit Synnex zum weltgrößten ITK-Großhändler zusammenschloss. Wie Tech Data die Position an der Spitze der DACH-Organisation künftig besetzt, werden die Münchner voraussichtlich zum Ende dieses Monats bekanntgeben.

Mit Dressen kehrte in der deutschen Geschäftsführung des Distributors nach mehreren Wechseln in relativ kurzen Abständen wieder Kontinuität ein. Zudem hat sich das Geschäft unter seiner Leitung stabilisiert, wie er berichtet. „Wir sind heute extrem gut aufgestellt mit unserem Portfolio und wie wir am Markt auftreten.“ Immerhin habe Tech Data in Deutschland einmal ums wirtschaftliche Überleben gekämpft. Davon sei das Unternehmen inzwischen weit entfernt. Als größte Veränderung der vergangenen Jahre bezeichnet der DACH-Chef den Ausstieg aus margenschwachen Segmenten. So habe sich Tech Data weitgehend aus dem Consumer-Geschäft zurückgezogen und die Partnerschaft mit einigen Herstellern, etwa mit Acer und Asus, beendet, während die Zusammenarbeit mit anderen wie HP und Lenovo konsequent auf das B2B-Segment ausgerichtet wurde. „Dadurch haben wir unsere Bruttomarge deutlich verbessert.“

Karriere im Channel: Von Computer 2000 zu Tech Data

Michael Dressen steht noch bis Ende Juli 2022 als Regional Managing Director an der Spitze der Organisationen von Tech Data in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH). Bevor er Anfang 2012 bei dem Münchner Distributor einstieg, führte der Manager seit 2005 die Geschäfte des Straubinger Mitbewerbers Also, den er einige Monate nach der Fusion mit Actebis Peacock im Jahr 2011 verließ. Zwischen 1997 und 2005 führte Dressen das von ihm gegründete Consulting-Unternehmen DHI, mit dem er internationale Handelsgesellschaften beriet. Zuvor leitete er gut ein Jahr lang in Los Angeles den amerikanischen Distributor Ameriquest, der von Computer 2000 gekauft worden war. Bei dem Münchner Unternehmen führte der EDV-Kaufmann von 1991 bis 1995 die Geschäfte der italienischen Landesgesellschaft in Mailand, und bei den Münchnern hatte er 1987 seine Laufbahn in der Distribution als Product Marketing Director begonnen. Computer 2000 wurde 1998 von Tech Data übernommen und ist somit die Vorläuferorganisation des Broadliners in Deutschland. Insgesamt arbeitet Dressen seit mehr als 40 Jahren in der ITK-Branche.

Konstantes Geschäftsmodell

Ebenfalls erhöht hat sich bei dem Distributor der Anteil des Value-Geschäfts, der bei Dressens Einstieg bei 20 bis 25 Prozent lag. Heute bewegt sich dieser Anteil bei 45 bis 50 Prozent. Diese Verschiebung wurde allerdings nicht durch das hiesige Management bewirkt, sondern sie ging schlicht auf die Akquisition der IT-Sparte des Elektronikgroßhändlers Avnet zurück. Tech Data legte sie im September 2017 mit der eigenen VAD-Sparte Azlan zum Geschäftsbereich Advanced Solutions zusammen. Über die Verbesserung der Marge und den Ausbau des Value-Anteils hinaus sieht Dressen allerdings keine fundamentalen Veränderungen des Geschäfts. „Im Grunde genommen machen wir immer noch das, was wir früher schon gemacht haben: Wir kaufen Produkte ein und verkaufen sie über unsere Reseller.“ Nur die Form habe sich bei der Software verändert, die heute als Cloud-Lösung vermarktet werde. Eine technologische Revolution sei das aber nicht.

„Das Business-Modell der Distribution hat sich in den Jahren nicht grundlegend gewandelt“, führt der Tech-Data-Chef weiter aus. „Die Diskussion darüber war oft lauter, als es der tatsächlichen Entwicklung entsprochen hätte.“ So werde seit langem darüber geredet, dass der IT-Großhandel seinen Partnern viel mehr Services anbieten müsse. Dazu vertrete er „einen klaren Standpunkt“, betont Dressen. Die Distribution operiere mit Margen in der Größenordnung von fünf Prozent. Damit könne man Systemhäuser nicht genauso intensiv unterstützen, wie die ihre Kunden unterstützen. „Wir haben Competence Center und können unseren Partnern viel Knowhow bereitstellen. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Leute nach draußen zu schicken, die bei Endkunden die Projekte umsetzen. Das gibt die Marge nicht her.“

Auswirkungen der Cloud

Bislang hat auch die Cloud das Geschäft der Distribution nur wenig verändert. Zum einen hat sie nach Beobachtung Dressens nicht dazu geführt, dass die Einnahmen mit Servern und Storage zurückgegangen sind. „Die nachgefragte Computerleistung steigt viel schneller, als die Cloud-Rechenzentren wachsen.“ Deshalb werden nach wie vor große Summen in lokale IT-Infrastruktur investiert, und der Bedarf wachse dort sogar. „Die These, dass wir durch die Cloud an Umsatz verlieren und deswegen in neue Geschäftsfelder gehen müssen, hat sich bisher nicht bestätigt.“

Zum anderen ist die Distribution aber noch nicht wirklich im Cloud-Geschäft angekommen, wie der Manager selbstkritisch einräumt. „Was völlig unterschätzt wurde, ist die Komplexität der Transaktionsplattformen.“ Weder Tech Data noch den Mitbewerbern sei es gelungen, wirklich gute Cloud-Marktplätze aufzubauen. Keiner habe damit sein Geschäftsmodell revolutioniert. „Die Plattformen wurden mit viel manuellem Aufwand zusammengestrickt. Sie sind in sich nicht nahtlos integriert und wenig skalierbar.“ Wie Dressen meint, hat diese Entwicklungsarbeit die Distributoren letztlich überfordert. Sie seien gut darin, Einkaufs- und Vertriebsprozesse zu optimieren. „Von unserer DNA her sind wir aber keine Unternehmen, die Technologien entwickeln. Woher sollen die tollen Plattformen dann herkommen?“

Veränderte Lieferketten

Größere Auswirkungen auf die Distribution als durch die Cloud erwartet der Handelsexperte indes von den aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Lieferprobleme, mit denen die ITK-Branche seit gut zwei Jahren weltweit zu kämpfen hat, gehen nach seiner Einschätzung auf unterschiedliche Ursachen zurück wie etwa den Lockdown in Fabriken in Asien und die Blockade chinesischer Häfen wegen der Pandemie. Eine weitere Ursache sieht Dressen in der wachsenden Rivalität zwischen den USA und China, deretwegen amerikanische Hersteller ihre Produktion tendenziell aus dem asiatischen Land verlagern. Dieser Prozess werde die Branche noch drei bis fünf Jahre begleiten, und so lange werde es dauern, bis die Lieferketten wieder richtig funktionieren. „Die politischen Veränderungen und die Diversifizierung der Supply Chains werden einen viel größeren Einfluss darauf haben, was in den kommenden Jahren in der Distribution passiert, als die technologischen Umbrüche.“

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Aus diesen Entwicklungen ergibt sich für den Fachhandel in Deutschland aktuell eine schwierige Situation, da jetzt noch eine Inflation hinzukommt. Das Geschäft im Consumer-Markt sei bereits zurückgegangen, und für das B2B-Segment rechnet der scheidende Tech Data-Geschäftsführer damit, dass Projekte gestrichen oder aufgeschoben werden. „Wir sind dabei, in eine Konjunkturdelle zu marschieren, von der wir heute nicht wissen, wie tief sie wird.“

Viele Systemhäuser seien ohnehin in einer angespannten Lage, weil sie wegen der Lieferengpässe mehr Produkte als üblich einlagern und damit ihr Betriebskapital aufblähen. Vor diesem Hintergrund könnten zurückgehende Investitionen zu mehr Insolvenzen im Channel führen, fürchtet Dressen. Vieles hänge davon ab, ob es den Zentralbanken gelingt, die Inflation in den Griff zu kriegen. „Die kommenden anderthalb Jahre werden für die Branche schwierig werden, und das wird auch die Distribution zu spüren bekommen. Die Delle kann glimpflich, aber auch weniger glimpflich verlaufen.“

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