Ehrgeizige Wachstumsziele Materna kauft Münchner Security-Anbieter Virtual Solution
Der Dortmunder ITK-Dienstleister Materna übernimmt den Mobile-Security-Spezialisten Virtual Solution. Lösungen des Anbieters sind vor allem bei Behörden im Einsatz. Zuletzt geriet dessen bisheriger Eigentümer allerdings in die Schlagzeilen.
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Cybersecurity zählt bei Materna zu den neun Kerngeschäftsfeldern. Jetzt erweitert der ITK-Dienstleister sein Leistungsspektrum auf diesem Gebiet durch die Übernahme des Software-Herstellers Virtual Solution aus München, wie das Dortmunder Unternehmen heute mitteilt. Der bayrische Spezialist entwickelt und vertreibt Systemlösungen zum Schutz von Anwendungen und Daten auf mobilen Endgeräten. Die Software ist bei einigen Bundesministerien und insgesamt bei mehr als 100 Behörden im Einsatz.
Durch den Kauf von Virtual Solution gewinnen die Westfalen rund 90 Mitarbeiter hinzu, davon mehr als 60 Entwickler. Martin Wibbe, CEO bei Materna, sieht die Dienstleistungsgruppe durch die Transaktion personell und technologisch gestärkt. Sie erwirtschaftet etwa ein Drittel ihrer Einnahmen im Geschäft mit öffentlichen Auftraggebern. Mit der Übernahme erwirbt Materna nun eigene Software-Assets für dieses Segment. „Das hilft uns, Kunden langfristig an uns zu binden“, ist der Manager überzeugt.
Virtual Solution agiert künftig als eigenständige Einheit in der Gruppe. Das Management um CEO Sascha Wellershoff bleibt nach Auskunft von Materna weiterhin an Bord. Komplett ausgeschieden ist dagegen der Hauptgesellschafter und Aufsichtsrat des Unternehmens, Nicolaus von Rintelen. Der Entrepreneur war im vergangenen Herbst wegen mutmaßlicher Kontakte zum abgetauchten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in die Schlagzeilen geraten. Die Magazine „Spiegel“ und „Capital“ berichteten seinerzeit darüber. Ein tatsächliches Näheverhältnis zu Marsalek wurde von Rintelen bislang aber nicht nachgewiesen.
„Sicherer Hafen“
Durch den Eigentümerwechsel könne der Mobile-Security-Spezialist nun „bei Materna in einen sicheren Hafen einlaufen“, kommentiert Wibbe die Akquisition. Ihm und seinen Management-Kollegen sei wichtig gewesen, „eine in Deutschland entwickelte Technologie für Deutschland zu sichern“. Das Übernahmeverfahren, das durch eine M&A-Beratung begleitet wurde, zog sich seit dem Frühjahr 2021 hin.
Kernprodukt von Virtual Solution ist die Lösung SecurePim, die sich für den Einsatz in Unternehmen und Behörden eignet. Sie unterstützt die Betriebssysteme iOS und Android. Die Version SecurePim Government SDS wurde nach Auskunft des Herstellers im Auftrag des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelt und ist für die Geheimhaltungsgrade „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) und „NATO Restricted“ zugelassen.
Vertrieb über Partner
Bei der Vermarktung der Produkte arbeitet Virtual Solution mit mehr als 150 Beratungspartnern zusammen, zu denen große Systemhäuser wie ACP, Bechtle, Cancom und Computacenter gehören. Distributionspartner ist der Wiesbadener VAD TIM. An den Vertriebsstrukturen soll sich Wibbe zufolge nichts ändern. In den großen Häusern sieht der Manager keinen Wettbewerb. Materna kooperiere mit einigen von ihnen in Projekten und betrachte sie „als verlässliche Konsortialpartner“. Das SecurePim-Geschäft werde dazu beitragen, „die Beziehungen zu vertiefen“.
Zum Leistungsspektrum von Materna im Security-Geschäft zählen Beratungs- und Implementierungsleistungen, Managed Services und Sicherheitschecks. Schwerpunkte liegen auf Themen wie Sicherheitsmanagement und Identity & Access Management (IAM). Um Kunden einen durchgängigen Schutz ihrer Netzwerke bereitstellen zu können, betreiben die Dortmunder ein Security Operations Center (SOC). Das Team, dem aktuell rund 40 Experten angehören, soll perspektivisch auf 100 Köpfe erweitert werden.
Verdoppelung des Umsatzes
Die Akquisition von Virtual Solution zahlt nicht zuletzt auf die Wachstumsziele von Materna ein. Bis 2025 will die Gruppe ihre Umsätze auf rund 700 Millionen Euro verdoppeln, wie sie im April 2021 ankündigte. Dazu sollen zu den aktuell 3.000 Mitarbeitern weitere 2.000 eingestellt werden. Nachdem die Belegschaft 2021 um 470 Köpfe gewachsen ist, wollen die Westfalen in diesem Jahr sogar 500 neue Jobs schaffen. CEO Wibbe ist zuversichtlich, sämtliche Planstellen bis Jahresende zu besetzen. Dabei möchte er das Personal insbesondere an Standorten wie Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Köln, München und Stuttgart ausbauen.
Neben Cybersecurity widmet sich Materna den Fokusthemen Cloud Computing, Datenökonomie (Data Analytics, KI, IoT), Digitale Verwaltung, Enterprise Service Management, SAP-Beratung, Digital Experience und Nachhaltigkeit. Mit seinen Angeboten richtet der Dienstleister sich neben Behörden vor allem an Konzerne und Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstand. Zur Gruppe gehören sieben Tochtergesellschaften wie etwa das SAP-Beratungshaus Corporate Business Solutions (CBS) in Heidelberg, das mehr als 800 Mitarbeiter beschäftigt.
2020 erzielte Materna einen Umsatz in Höhe von 355 Millionen Euro. Die Ergebnisse des vergangenen Jahres gibt das Unternehmen erst Ende März bekannt. Das Geschäft ist dem CEO zufolge aber auch 2021 stark gewachsen. Demnach liegt die Gruppe, was das langfristige Ziel angeht, im Plan.
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