Titelstory Dell/EMC Der Mega-Deal und seine Folgen

Autor / Redakteur: Wilfried Platten / Wilfried Platten

Was kostet die Welt, pardon EMC? Ursprünglich stand ein Obolus von 67 Milliarden US-Dollar für die Übernahme auf dem Einkaufszettel von Dell. Ein Jahr später müssen an der Kasse „nur noch“ 58 Milliarden US-Dollar locker gemacht werden. Aber auch die müssen sich irgendwann rentieren. Und dafür gibt es konkrete Pläne.

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Dell muss für EMC nicht so tief in die Tasche greifen wire ursprünglich veranschlagt.
Dell muss für EMC nicht so tief in die Tasche greifen wire ursprünglich veranschlagt.
(Bild: © studiostoks - Fotolia.com)

Es ist nicht mehr und nicht weniger als der größte Mergers&Aquisitions-Deal der IT-Historie. Selbst wenn sich der Preis im Verlauf der Transaktionsphase um fast zehn Milliarden Dollar verringert hat. Mit der Übernahme des Hardware-Schwer­gewichts EMC durch das Hardware-Schwergewicht Dell entsteht ein IT-Großkonzern, der der Konkurrenz einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte – vorausgesetzt, die Integration gelingt.

Das Dach des neuen IT-Unternehmens hört auf den Namen Dell Technologies und hat in seinem Geburtspass das Datum vom 7. September 2016 stehen. Die glücklichen Eltern selbst haben damit aufgehört zu existieren. EMC wird von der Börse genommen, von der Dell sich ja schon 2015 verabschiedet hat.

An dem Geburtsdatum ist ausgerechnet die ökonomische Großmacht China nicht ganz unschuldig, denn pikanterweise musste die finale regulatorische Hürde, bildlich gesprochen, im Reich der Mitte genommen werden. Der letzte seidene Faden schwang im Pekinger Ministry of Commerce (MOFCOM). Doch das ließ die Schere stecken und winkte die Transaktion Ende August durch.

Hardware minus Software

Habe ich gerade zweimal Hardware gesagt? Ja, Hardware – auch wenn sich EMC gegen diese Typisierung wahrscheinlich vehement verwahren würde. Aber der wichtigste Software-Zweig von EMC, die mit ihrer Virtualisierungs-Software groß gewordene Tochter VMware, bleibt bei diesem Deal quasi außen vor und agiert als eigenständige Aktiengesellschaft mit Dell-Mehrheitsbeteiligung. Machen wir eine Milchmädchenrechnung: EMC kostet 58 Milliarden US-Dollar. Die darin enthaltene VMware ist an der Börse über 20 Milliarden US-Dollar wert. Über ein Drittel des Kaufpreises bringt die Braut also selber mit (siehe Kasten „Verschiebebahnhof“).

Auch für die Software-Töchter Pivotal und SecureWorks gilt das VMware-Schema als eigenständige börsennotierte ­Unternehmen in Dell-Besitz. Welche ­Rolle sie in der neuen Konstellation ­konkret spielen, bleibt abzuwarten. Nicht einmal Zahlen sollen veröffentlicht werden. Dell selbst hat schon im Kontext der Übernahme sein im Laufe der Jahre zugekauftes Konglomerat von Software-Firmen (Quest, Sonicwall, Kace et al.) wieder abgestoßen. Auf dem Dell-Radar ist also eindeutig die Hardware zu sehen.

Eher untergegangen ist der Verkauf der Services-Sparte im Frühjahr diesen Jahres. Im März ging sie für rund 3,5 Milliarden US-Dollar an NTT. Klingt viel, ist es aber nicht, wenn man weiß, dass 2009 für Perot Systems 3,9 Milliarden US-Dollar gezahlt wurden. Und das war die Keimzelle der IT-Services von Dell. Doch mit den Professional Services von EMC kommt der Nachfolger dafür quasi im Beifang wieder an Bord.

Wenn man sich das Konkurrenzumfeld einmal genauer ansieht, dann drängt sich der Eindruck auf, dass Dell strategisch ­geschickt in eine sich auftuende Lücke stößt. Während sich der Konzern zum Hardware-Giganten aufbläst, ist HP (oder besser gesagt: sind die HPs) nach dem Split im Parallelflug auf der Gegenspur unterwegs, Lenovo umgarnt mit ­Yogas, Motos und Thinks erfolgreich die Consumer, kämpft im Datacenter aber noch mit der Integration der IBM-Server. IBM selbst hat sein „Blech“-Portfolio sukzessive auf Power-Server, Storage und den offensichtlich mit Unsterblichkeit gesegneten Mainframe ausgedünnt, Fujitsu setzt auf Enterprise-Kunden plus öffentliche Auftraggeber, und NetApp ist nach vor „Storage only“. Im Fußball-Jargon gesprochen ist die Abwehr gerade weit aufgerückt, der Weg zum Tor steht weit offen. Aber den cleveren Steilpass dahin muss man erst mal spielen können. Und immer auf Konter aufpassen!

Die offizielle Sprachregelung für die Gründe der Übernahme lautete 2015 so: „Die Kombination von EMC und Dell macht Sinn, weil beide Unternehmen sich in ­ihren Stärken ergänzen. EMC ist für die anstehende Digitale Transformation der Wirtschaft hervorragend aufgestellt. Und zusammen mit Dell können wir den Marktzugang verbreitern.“ Dies sagte die damalige Deutschland-Chefin von EMC Sabine Bendiek (jetzt auf dem Microsoft-Chefsessel) wenige Tage nach Verkündung des Deals in ihrer Keynote auf dem Partnertag in Wiesbaden. Und Channel-Chefin Diana Coso schob damals allen Spekulationen über mögliche kurzfristige Veränderungen einen Riegel vor: „Bis Mitte 2016 ist Business as usual angesagt.“

Diese Schonfrist ist jetzt vorbei. Mitte ­Oktober werden auf der „Dell EMC World“ (der genaue Name steht noch nicht fest) erste Einblicke in den zukünftigen Kurs, die kommenden Strukturen und die geplanten personellen Zuständigkeiten gegeben. Fixtermin für den Start der neuen integrierten „Dell EMC Technologies“ (auch hier wird der endgültige Name noch gesucht) ist der 1. Februar 2017.

Der Channel wird selbstständig

Die wohl wichtigste Nachricht aus Channel-Sicht ist die Trennung des indirekten Vertriebs von den Landesorganisationen. Diese kümmern sich ausschließlich um das Direktgeschäft. Im Falle Deutschland sind das die bisherige Dell-Chefin Doris Albiez für das Commercial-Segment (kleine, mittelständische Unternehmen) und der bisherige EMC-Chef Dinko Eror für das Enterprise-Business (gehobener Mittelstand und Konzerne). Dass das Direktgeschäft von zwei so Channel-erfahrenen und -affinen Managern geleitet wird, ist vielleicht Zufall, kann aber auch als Zeichen für das wachsende Channel-Bewusstsein von Dell gedeutet werden.

Das Channel-Team selbst agiert weltweit als eigene Kraft. Der/ die deutsche Channel-Chef/ in berichtet also primär nicht mehr an die deutsche Geschäftsführung, sondern an den EMEA- (Michael Collins, Vice President, EMEA Channel) und letztlich an den weltweiten Channel-Chef (John Byrne, President, Global Channels). Wenn man so will, kann man auch darin eine Aufwertung des indirekten Kanals sehen.

Nimmt man dann noch als „dritte Kraft“ die verschiedenen Produktlinien (Server, Storage...) so hat man das Bild einer 3D-Matrix mit direkten und indirekten Berichtswegen, an deren Knoten sich temporär die jeweiligen situativen Projekt-Teams bilden. Die Frage bleibt, welche Konsequenzen solche am Reißbrett entworfenen Organisations-Architekturen in der Praxis haben. Für Distributoren und Systemhäuser ist es wahrscheinlich wichtiger, auch in der neuen Konstellation bekannte Gesichter als Ansprechpartner zu haben. Die Chancen dafür stehen gut, denn auch der jetzige – und vielleicht auch zukünftige – deutsche Channel-Chef Robert Laurim schätzt personelle Konstanz.

Einheitliche Channelprogramme

Die Channelprogramme von Dell und EMC werden in einem neuen Programm zusammengeführt und vereinheitlicht. Auch dafür ist der Stichtag der 1.2.2017. In der Übergangsphase soll das kürzlich vorgestellte Fast-Track-Programm den Partner das Leben erleichtern. Dahinter steckt die gegenseitige Übernahme von Zertifizierung-Leveln und Partnerstufen. Die beiden obersten Dell-Stufen „Premier“ und „Premier Plus“ entsprechen ungefähr den EMC-Leveln „Gold“ beziehungsweise „Platinum“. „Obwohl es Unterschiede, etwa in Bezug auf die dafür vorgeschriebenen Umsatzschwellen oder Zertifizierungsumfänge gibt, können Partner einfach den jeweils gleichwertigen Status übernehmen“, so Laurim.

Bei den Distributoren soll erst einmal alles beim Alten bleiben. Die Arbeitsteilung sieht wie folgt aus:

  • Ingram Micro und
  • Tech Data/ Avnet als Broadliner
  • Tim als VAD mit Schwerpunkt Datacenter
  • Siewert & Kau als VAD mit Schwerpunkt auf Clients
  • ADN als VAD mit Schwerpunkt auf Thin Clients

Natürlich geht so eine Vereinigung nicht ­ohne Wermutstropfen ab. Alles andere ­anzunehmen, wäre naiv. Auch wenn sich die Synergieeffekte nicht in Entlassungen erschöpfen sollen – und man durch den Rückzug von der Börse auch keine Analysten mehr mit Kostensenkungsprogrammen begeistern muss –, so überrascht(e) doch die Geschwindigkeit, mit der kurz nach dem Nehmen der letzten regulatorischen Hürde ein personelles Schlankheitsprogramm verkündet wurde. Es muss also von vorneherein auf der Maßnahmen-Agenda für die Übernahme gestanden haben. Die Rede ist von rund 3.000 Stellen weltweit, die vornehmlich in den Horizontal-Funktionen, also Personal-, Finanzwesen und sonstigen Verwaltungsabteilungen, eingespart werden sollen.

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