Channel Fokus Nachhaltigkeit & IT Systemhaus-Chefs: Irgendjemand muss ja mal anfangen
Systemhäuser sind die Schnittstelle zwischen Kunden und Herstellern. Wie setzen sie Nachhaltigkeitskonzepte um? Welche Hürden gibt es? Und: Wo liegt das Potenzial? Denn Nachhaltigkeit und Gewinn müssen kein Widerspruch sein. Kluge Ideen gibt es.
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Die Heizung ein Grad herunter drehen ist noch der einfachste Part, wenn man als Systemhaus-Chef aktive Nachhaltigkeit leben möchte. Bei Recycling, Lifecycle-Management, Gebäudeplanung und Konsolidierung im Rechenzentrum wird es dann schon anspruchsvoller. „Als IT-Branche rühmen wir uns als innovativ, als Vorreiter. Also haben wir das auch bei den Themen zu sein, die nicht ganz so einfach sind“, bricht Volker Bentz, Geschäftsführer der Brandmauer AG, eine Lanze für Impact-getriebenes Unternehmertum. Karsten Zygowski, Geschäftsführer CAS Data sieht das ähnlich: „Welche Verantwortung habe ich als Unternehmer und welche blinden Flecken?“ Für ihn war früh klar, dass in seinem Unternehmen Lifecycle-Management und Konsolidierung im Rechenzentrum ganz oben auf der Agenda stehen sollen.
Wo liegen die Hürden?
Auch Christian Stück, Geschäftsführer von Fusic, liegen Umweltthemen seit langem am Herzen. „Ich habe mich schon gefragt, wie bekomme ich meinen persönlichen Anspruch und das, was ich täglich in meiner Arbeit tue, unter einen Hut“, gibt er unumwunden zu und bezieht sich auf die fixen Austauschzyklen, die von Herstellern vorgegeben werden. „Ich sehe unseren wichtigsten Einfluss darin, was wir beim Kunden tun. Man kann einen Server für drei Jahre Lebenszeit auslegen oder für sieben, oder Lösungen so, dass sie nicht alle zwei Jahre getauscht werden müssen.“ Das sei nicht einfach, denn Partnerprogramme sind auf Umsatz ausgelegt. „Es gibt Hersteller, da wird man nicht dafür belohnt, wenn man die Garantie verlängert. Da ist dann ein neues Gerät mit Lizenz billiger, als eine Lizenz-Verlängerung“, wird er konkret. Elektroschrott wird auch produziert, wenn Hersteller Produkte abkündigen. „Wir können den Kunden ja nicht ohne Support stehen lassen“, beschreibt Bentz das Dilemma. Im konkreten Fall geht es um eine Abkündigung einer Firewall. Zygowski prüft daher gerade, von der Hardware auf VM-basierte Firewalls umzustellen. „Auch da funktioniert nicht alles. Aber wir werden den Elektroschrott los und ziehen alles in ein Rechenzentrum um. Das ist in der Bereitstellung deutlich ressourcen- und energieeffizienter, als wenn ich eine Firewall beim Kunden ins Rack stelle“, geht er die Sache lösungsorientiert an. Wenn es um das Beschreiten neuer Wege und die Verlängerung von Produkt-Lebenszyklen geht, sieht er einen weiteren Showstopper. „Wenn ich Systeme im Einsatz habe, die nicht mehr mit Windows 11 laufen, habe ich perspektivisch ein Problem. Da müssen wir mit den Herstellern einen Konsens finden“, appelliert er. Gleiches gilt für eine Garantieunterstützung von Herstellerseite, die er sich ebenfalls wünscht.
„Wir können den Kunden ja nicht ohne Support stehen lassen.“
Wie kann die Lösung aussehen?
Um Kunden längere Lebenszyklen anbieten zu können hat er ein eigenes Modell entwickelt. „Statt in neue Geräte zu investieren, bieten wir eine Servicegebühr und einen Wartungsplan. Nach drei Jahren übernehmen wir dann beispielsweise eine Neuinstallation. All das preisen wir in eine Serviceflatrate ein. Damit machen wir keinen Ad-hoc-Umsatz, sondern verstetigen ihn. Das funktioniert.“ Wo Systemhäuser also schon Ideen entwickelt haben, ist die Aufgabe, welche die Hersteller zu erledigen haben, aber noch groß. „Wenn diese künftig Server bauen, die länger laufen, dann müssen sie entweder mehr davon verkaufen oder mehr dafür verlangen“, bringt Stück es auf den Punkt. „Wenn die Hersteller ihr Geschäftsmodell aber ein Stück weit auf ein Pay-per-Use-Modell anpassen können, dann haben auch sie eine Möglichkeit, umzusteuern“, argumentiert Zygowski. Umdenken müsse man auch in puncto Ausschreibungen, wie Bentz anmerkt. „Nicht mehr der Billigste sollte den Auftrag bekommen, sondern der Nachhaltigste. Noch ist der Preis das große ausschlaggebende Kriterium bei öffentlichen Ausschreibungen. Da muss ein Umdenken passieren.“
Wie reagieren Kunden?
Auf Kundenseite ist das schon spürbar, wie Marc Wilhelmi, Geschäftsführer Integrate IT feststellt: „Die Kunden werden für diese Themen sensibler. Wir versuchen die Kunden auf den Service der Managed Arbeitsplätze umzuleiten. Da ist dann die Hardware dabei, aber eben ohne festen Tauschzyklus. Unterm Strich rechnet sich das. Und für dieses Modell interessieren sich die ersten.“ Es gilt also den ökologischen Fußabdruck der Endgeräte zu minimieren. Ein Ziel, das Zygowski auf seine Fahne geschrieben hat. „Dort wo ich Funktionalitäten in konsolidierte Umgebungen wie Rechenzentren überführen kann, gewinnt die Nachhaltigkeit.“ Denn diese würden deutlich energieeffizienter betrieben und sind besser ausgelastet als singuläre Lösungen. Stück gibt aber zu Bedenken: „Unser größtes Risiko ist, dass wir bislang jede Halbierung des Energieverbrauchs durch eine Verdoppelung der Dienste wieder aufgeholt haben.“ Sehr viel Luft nach oben ist weiterhin in puncto Kreislaufwirtschaft. „Recycling hat bei Systemhäusern noch wahnsinnig viel Potenzial“, bestätigt Wilhelmi. „Damit beschäftigen wir uns noch viel zu wenig. Niemand will sich damit auseinandersetzen.“ Vielleicht auch eine Aufgabe, die ein Systemhaus-Verbund angehen könnte, wirft er in die Runde. Denn laut dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie liegt die Recyclingquote in der EU für kritische Rohstoffe und seltene Erden bei unter einem Prozent.
„Recycling hat bei Systemhäusern noch wahnsinnig viel Potenzial.“
Was können Systemhäuser selbst tun?
Nachhaltigkeit im täglichen Kundengeschäft ist das eine, das andere ist, auf den eigenen CO2-Fußabdruck zu blicken. Für Bentz ein wichtiges Anliegen, das er beim Neubau seines Unternehmens sehr ernst nahm. „Für mich war die Frage, was ist ein nachhaltiges Gebäudekonzept. Wenn man alte Häuser entsorgt, sind diese zu 100 Prozent wiederverwertbar. Diese Dinge waren gut. Deshalb haben wir mit Holz gebaut. Nur der Brandschutz hat mir ein Stück Beton aufs Auge gedrückt“, sagt er schmunzelnd. Das Haus ist gut isoliert, eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach und die Glasflächen wurden reduziert. „Hohe Fenster hätten gut ausgesehen, sind energiepolitisch aber ein Frevel“, begründet er diese Entscheidung. Trotz aller Aktivitäten, CO2-neutral ist sein Unternehmen noch nicht. Dennoch ist das Bentz`erklärtes Ziel. „Da reicht nicht nur Ökostrom. Da muss man wirklich hinter die Kulissen blicken.“ Und auch bei der Gebäudeautomation ist noch ganz viel Potenzial zu heben. Doch ein Vergleich mit dem Green Deal, der in der Gebäudeautomation einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der CO2-Ausstoßes sieht, und der Realität ernüchtert. Bentz hat das bei seinem Neubau am eigenen Leib erfahren. „Das Einzige was Haustechnik und die IP-Welt verbindet, ist, dass sie auf dem gleichen Planeten existieren.“ Dabei stecke gerade dort sehr viel Potenzial. Dem stimmt Wilhelmi zu, ergänzt aber: „Dort fehlen Standardschnittstellen. Die Frage ist: wie bekomme ich die Daten ausgelesen?“ Hoffnung macht Stück in dieser Hinsicht die angekündigte Zusammenarbeit von HPE Aruba mit Enocean.
Motivation und Veränderungswille
Eine ganz andere Facette des Themas hat Wilhelmi noch im Gepäck. „Nachhaltigkeit hat auch etwas mit der Beziehung zu unseren Mitarbeitern zu tun. Wir legen Wert darauf, dass sie lange bleiben. Das gleiche gilt für unsere Beziehungen mit Kunden und Lieferanten. Wir wollen verlässliche Partner und denken nicht nur bis zur nächsten Bilanz, sondern langfristig.“ In eine ähnliche Kerbe schlägt Bentz: „Wir sind Multiplikatoren. Indem wir Dinge vorleben, motivieren wir unsere Mitarbeiter, ähnliches zu tun.“ Gleiches gilt in Richtung der Kunden. Worum es den Mitgliedern in der Fokusgruppe der iTeam geht fasst Zygowski zusammen: „Wir sind hier viele kluge Köpfe. Wir können Konzepte entwickeln, die wir anderen Systemhäusern zur Verfügung stellen und damit letztlich auch einen Change im Markt und im Mindset bewirken.“
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