Bundesregierung streicht Förderung Bei Gaia-X hängt der Haussegen schief

Von Dr. Stefan Riedl

Gaia-X sollte laut der Politik dem US-amerikanisch (und chinesisch) dominierten Hyperscaler-Markt europäische Strukturen entgegensetzen. Nach dem nun andere Prioritäten gesetzt und erste Fördergelder für Projektbeteiligte dem Rotstift zum Opfer fielen, brodelt es hinter den Kulissen.

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Die europäische Initiative Gaia-X strauchelt.
Die europäische Initiative Gaia-X strauchelt.
(Bild: artjazz-stock.adobe.com)

„Das Streichen von Mitteln für innovative digitale Förderprojekte zieht sich wie ein roter Faden durch die Regierungspolitik“, heißt es aus dem Hause SysEleven. In dieselbe Kerbe schlägt die Open Source Software Alliance (OSBA), die nun zusammen mit anderen Vereinen in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die zentrale Bedeutung einer Open-Source-Basisinfrastruktur in Deutschland und Europa betont. Die OSBA beklagt jedoch, dass es vor diesem Hintergrund „gänzlich unverständlich [sei], dass von den zuständigen Bundesministerien bereits geplante und angekündigte Vorhaben, wie der Sovereign Tech Fund und das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS), zu denen bereits umfangreiche Konzepte und Machbarkeitsstudien vorliegen und die fraktionsübergreifend auf große Zustimmung gestoßen sind, im Entwurf für den Bundeshaushalt 2022 bisher gar nicht berücksichtigt wurden.“

Unterzeichnet wurde der offene Brief von:

  • OSB Alliance – Bundesverband für digitale Souveränität e.V.
  • Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
  • Free Software Foundation Europe e.V. (FSFE)
  • Wikimedia Deutschland e. V.
  • D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V.
  • Vitako – Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e.V.

Gaia-X Rescue

Neben der Absage an ZenDis und dem Sovereign Tech Fund wurden nun die Gaia-X-Förderprojekte des Wirtschaftsministeriums mehr oder weniger eingestampft: In der letzten Woche erhielt zum Beispiel das Neun-Millionen-Projekt „Gaia-X Rescue“ die mündliche Mitteilung aus dem Wirtschaftsministerium, dass dafür im Bundeshaushalt 2022 keine Haushaltsmittel mehr vorgesehen seien. Es wäre zudem „unwahrscheinlich“, dass sich daran im Laufe der gerade stattfindenden Beratungen noch etwas ändere, soll es laut SysEleven, die an dem Projekt beteiligt sind, fernmündlich geheißen haben.

Das gelte auch für die vier anderen Projekte der zweiten Tranche aus dem im Sommer 2021 vorgestellten Förderprogramm. Noch im Februar wurde seitens der Bundesregierung mitgeteilt, dass die Projekte der ersten Tranche ihre 117 Millionen erhalten hätten.

Jens Plogsties, Projektverantwortlicher bei SysEleven, kommentiert: „Als der Anruf kam, hofften wir, dass wir nun unsere Förderbescheide beantragen könnten, aber im Gegenteil: Das Wirtschaftsministerium beerdigt mit Gaia-X Rescue ein Projekt, das Feuerwehreinsätze effizienter und den Schutz von Feuerwehrleuten wesentlich erhöht und zugleich innovative Technologien gefördert hätte. Die Veränderung des Fokus der Bundesregierung, weg von der Förderung der dringend benötigen Digitalisierung öffentlicher Aufgaben, ist nicht zukunftsorientiert“, kritisiert Plogsties.

Auch bei der Alice&Bob.Company, die ebenso an Gaia-X Rescue beteiligt war, herrscht keine Freude über das Vorgehen des Bundeswirtschaftsministeriums. Bedauerlich war für das Berliner Unternehmen die Nachricht, dass die Fördergelder in das Gaia-X Rescue Projekt aller Voraussicht nach gestrichen werden „und daher zum wiederholten Mal eine Chance verpasst wird, den Innovationsstandort Deutschland mit gemeinsamen digitalen Projekten zu stärken“, hieß es aus dem Unternehmen.

Datenraum Wald und Holz 4.0

Von der Streichung der Mittel betroffen ist auch das Projekt „Datenraum Wald und Holz 4.0“, bei dem der Dortmunder Dienstleister Materna als Konsortialführer agieren sollte. Das Unternehmen würde es sehr bedauern, wenn das Vorhaben wegen fehlender Gelder in diesem Jahr nun doch nicht gefördert würde, teilen die Westfalen auf Nachfrage mit. „Wir halten das Projekt ‚Datenraum Wald und Holz 4.0‘ sehr wichtig für die Klimafolgenbewältigung, Aspekte der Nachhaltigkeit und für die digitale Vernetzung unserer Wald- und Holzwirtschaft.“

Zirkuläre Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Auch Professor Markus König, der den Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum leitet, ist überrascht über die plötzliche Streichung von Fördermitteln. Die Universität war mit neun weiteren Partnern an dem Projekt „ZiBa“ beteiligt. Das Projekt zur zirkulären Kreislaufwirtschaft in der Baubranche hatte das Ziel, ein offenes Ökosystem zu entwickeln, um die Rücknahme von Bauprodukten im Sinne der zirkulären Wertschöpfung zu ermöglichen und so zum Klimaschutz beizutragen. „Alle Verbraucher spüren gerade die steigen Baukosten. Insbesondere wenn man in Zukunft 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen möchte. Dann geht es nicht ohne Wiederverwendung von Baustoffen“, merkt König an. Ferner hätte durch das Projekt das Bewusstsein für eine nachhaltige Bauwirtschaft weiter geschärft werden können. Denn im Rahmen des Projektes wären auch viele Studierende und Doktoranden an der Universität entsprechend ausgebildet worden. „Scheinbar war die Idee und das Konzept überzeugend. Nun fehlt das Geld für ein so wichtiges Zukunftsthema“, kritisiert der Professor. Somit steht auch dieses Projekt vor dem Aus.

Nicht jedes Projekt ist betroffen

Kurt Garloff, CTO Sovereign Cloud Stack bei der OSB Alliance ordnet ein: „Gaia-X Federation Services (GXFS) und Sovereign Cloud Stack (SCS) sind die grundlegenden Projekte für den Aufbau der Gaia-X Infrastruktur und beide Projekte sind nicht von einem Förderstopp oder Budgetkürzungen betroffen, sondern gehen mit voller Energie weiter." Neben diesen beiden grundlegenden Projekten sollten zudem Projekte gefördert werden, die die geschaffenen Infrastruktur- und Datenökosysteme anwenden und konkreten Nutzen für Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens schaffen, findet der Manager. "Bei einem Förderwettbewerb wurden hier aus sehr vielen Einreichungen 16 Projekte ausgewählt. Nach unserem Kenntnisstand sind die ersten 11 nicht von den Budgetproblemen betroffen, die weiteren 5 allerdings schon."

Garloff bedauert die fehlende Finanzierung für den "Sovereign Tech Fund" und für das "Zentrum für Digitale Souveränität". Hier wäre es darum gegangen, Open Source und seine Benutzung in der öffentlichen Verwaltung zu stärken und die digitale Souveränität voranzubringen.

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