Transformation der Arbeitsbedingungen Führungskräfte finden ihr Unternehmen agiler als die Mitarbeiter

Autor Sarah Gandorfer

Wenn KI dem Chef die Arbeit abnimmt und Hierarchien sowie das Agieren mit bloßer Abteilungsdenke nicht mehr gefragt sind, ist man bei der Unternehmenskultur der Zukunft angekommen. Sie rückt immer näher, denn neue Technologien fordern durch ihren verstärkten Einsatz sehr schnell ihren Tribut.

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Silodenken war gestern. Neue Organisationsstrukturen orientieren sich an der Wertschöpfung des Unternehmens.
Silodenken war gestern. Neue Organisationsstrukturen orientieren sich an der Wertschöpfung des Unternehmens.
(Bild: Ana Tramont - stock.adobe.com)

Den einen oder anderen dürften die Prognosen von Gartner amüsieren; demnach werden Künstliche Intelligenz (KI) und neue Technologien wie virtuelle persönliche Assistenten sowie Chatbots bis zum Jahr 2024 Manager von fast 69 Prozent ihrer Arbeit befreien.

Nein, das hat nichts mit der möglicherweise von einigen Mitarbeitern kritisierten Arbeitshaltung ihres Vorgesetzten zu tun. Sondern, wie Helen Poitevin, Research Vice President bei Gartner, erläutert: „Die Rolle des Managers wird sich in den nächsten vier Jahren komplett neu gestalten.Derzeit verbringen Manager oft Zeit damit, Formulare auszufüllen, Informationen zu aktualisieren und Arbeitsabläufe zu genehmigen. Durch den Einsatz von KI zur Automatisierung dieser Aufgaben müssen sie weniger Zeit für Verwaltung von Transaktionen aufbringen und können mehr Zeit in Weiterbildung, Performance Management und in die Festlegung von Zielen investieren.“

Zudem werden 50 Prozent der Unternehmen in den nächsten zwei Jahren eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen ihren Geschäfts- und IT-Teams erfahren. Auseinandersetzungen zwischen Geschäfts- und IT-Teams über die Technologiekontrolle werden abnehmen, da beide Seiten zum Schluss kommen, dass ein Miteinander für den Erfolg von Innovationen am digitalen Arbeitsplatz entscheidend ist.

„Geschäftsbereiche und IT-Teams funktionieren nicht mehr in Silos, da weiter entfernte Teams Probleme verursachen können“, erklärt Keith Mann, Senior Research Director bei Gartner. „Traditionell hatte jeder Geschäftsbereich sein eigenes Technologie-Personal, was dazu führte, dass die Unternehmen nur ungern den Anweisungen der zentralen IT-Teams folgten. Zunehmend verstehen Unternehmen jedoch, dass ein gemeinsames Ziel unerlässlich ist, um die Integrität und Stabilität des Kerngeschäfts zu gewährleisten. Das Ergebnis ist, dass die einzelnen Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet bleiben, stärker zusammenarbeiten und neue Technologien effektiv im gesamten Unternehmen implementieren.“

Agiles Arbeiten kaum real

Auf der Suche nach neuen Modellen der Zusammenarbeit gilt agiles Arbeiten häufig als zukunftsträchtige Lösung. Laut einer Studie der Jobplattform Stepstone in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Kienbaum, wünschen sich rund 30 Prozent der Umfrageteilnehmer agil arbeiten zu können. 61 Prozent hätten gerne flachere Hierarchien, mehr Verantwortung und selbstbestimmtes Arbeiten. Doch ergab die Befragung der 10.000 Fach- und Führungskräften für diese Studie, dass nicht einmal zehn Prozent der Unternehmen agil arbeiten.

Zudem werden lediglich 16 Prozent der Mitarbeiter ermutigt, neue Ideen auszuprobieren. „Wenn allein eine kleine Anzahl an Vorgesetzten Entscheidungen für die Mehrheit der Mitarbeiter trifft, macht das ein Unternehmen nicht nur langsam, sondern es gefährdet oft auch den Erfolg“, findet Stepstone-Geschäftsführer Sebastian Dettmers. „Unternehmen können den Anforderungen der Digitalisierung nur dann gerecht werden, wenn sie Ziele klar kommunizieren und ihren Mitarbeitern das Vertrauen entgegenbringen, Mittel und Wege selbst zu wählen, um die Ziele zu erreichen. Dabei ist klar: Solche Prozesse nachhaltig zu verändern, braucht Zeit und passiert nicht über Nacht.“

Dabei haben Führungskräfte im Vergleich zu Fachkräften eine teils völlig andere Wahrnehmung beim Thema agile Arbeitsmethoden. Nur 14 Prozent der befragten Vorgesetzten gaben an, ihre Mitarbeiter bei Entscheidungsfindungen außen vorzulassen. Auch mit Blick darauf, Anreize für die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen zu schaffen, fällt die Bewertung der Führungskräfte anders aus: 71 Prozent sagen, sie motivieren ihre Mitarbeiter aktiv, neue Ideen auszuprobieren. Über 60 Prozent machen ihren Mitarbeitern laut eigener Aussage klar, dass Fehler ein hohes Lernpotential haben. „Die Ergebnisse unterstreichen, dass agiles Arbeiten in Deutschlands Unternehmen noch nicht vollständig zum Arbeitsalltag gehört“, interpretiert Walter Jochmann, Geschäftsführer bei Kienbaum, das Ergebnis. „Besonders Führungskräfte sind in der Pflicht, mehr eigenständiges Arbeiten und damit auch eine Fehlerkultur zuzulassen. Nur so können Unternehmen dynamischer auf ständige Veränderungen im Markt reagieren.“

Für den „Future Organization Report 2019“ hat die Management- und Technologieberatung Campana & Schott gemeinsam mit der Universität St. Gallen über 500 Personen aus Firmen befragt, die sich bereits auf dem Weg der agilen Transformation befinden. Dabei stellt sich genau wie bei Stepstone heraus, dass die Agilität meist noch nicht fest in der Unternehmenskultur verankert ist.

Nur ein Viertel der Befragten attestiert (27,5 %) der eigenen Firma einen hohen bis sehr hohen Reifegrad an Agilität. Unter Führungskräften fällt dieser Wert höher aus (30,5 %) als bei der Belegschaft (21,7 Prozent). Insgesamt empfinden sich 40,9 Prozent der Befragten als agil. Dabei schätzen sich Führungskräfte weitaus agiler ein (50,3 %) als Mitarbeitende (25,1 %).

Des Weiteren zeigte sich, dass für agile Arbeitsweisen neue Kompetenzen wichtig sind. 81,2 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich für die aktuellen Aufgaben gerüstet. Drei Viertel (75,4 %) der Befragten sagen, dass auch der Aufbau neuer Fähigkeiten weiterhin essenziell bleibt. Zwei Drittel (65,7 %) stimmen sogar beiden Aspekten stark zu. Wichtig sind neben Fachwissen auch die Fähigkeit und der Wille zur Zusammenarbeit.

Wer gerne im Team arbeitet, betont die Notwendigkeit der Abstimmung mit anderen (48,5 %) sowie der Diskussion in der Gruppe (30,4 %) und greift gerne auf die Hilfe anderer zurück (32,8 %). Fast ein Drittel der Befragten geben an, dass sie die besten Arbeitsergebnisse im Team erzielen (30,5 %).

Hindernisse laut „Future Organization Report“

Der Report identifiziert drei große Probleme:

  • Die Inkonsequente Umsetzung aufgrund fehlender ganzheitlicher Roadmap.
  • Die Angst vor Fehlern und mangelnde Kommunikation, da jeder Zweite Probleme oder Schwierigkeiten intern nicht ansprechen kann und nur 13,9 Prozent glauben, sie können Kollegen ungefährdet um Hilfe bitten.
  • Nicht alle Mitarbeiter wollen und können die agile Arbeitsweise mitgehen.

Es sind also vor allem die Führungskräfte gefordert entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Sei es noch klar definierte Ziele oder dadurch, eine gute Fehlerkultur vorzuleben, die bewusstes Ausprobieren und das Lernen aus Fehlern erlaubt.

Ein Mittel, um die Integration neuer Mitarbeitern in die agile Organisationsstruktur zu fördern, wäre beispielsweise das bereits bestehende Team schon in den Recruiting-Prozess einzubeziehen. So kann etwa bei einem Probearbeitstagen die Zusammenarbeit und Harmonie des Kandidaten im Team getestet werden. 36,1 Prozent der befragten Mitarbeiter wünschen sich so ein Vorgehen.

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