IT-Trends 2022 Nachhaltigkeit 2022: Machen wir uns an die Arbeit!
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Bei den Trends für 2022 fehlt oft ein Punkt: Nachhaltigkeit. Mag sein, dass nur wenige Analysten das Thema auf dem Schirm haben, aber das sollten wir ändern, denn Prognosen haben ja bekanntlich weniger den Zweck, die Zukunft vorherzusagen, als sie aktiv zu gestalten.

Mit den Beschlüssen der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow Anfang November 2021 und vor allem dem schleppenden Tempo, mit dem sich die Welt gegen die Erderwärmung stemmt, sind nicht alle zufrieden. Aber das, was die damalige Umwelt- und jetzige Entwicklungsministerin Svenja Schulze zur Konferenz sagte, gilt auf jeden Fall: „Die 20er Jahre sind das Jahrzehnt, in dem die Weltgemeinschaft die entscheidenden Fortschritte machen kann und muss.“
Diese „Weltgemeinschaft“, das sind zuvorderst die 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen. Aber natürlich dürfen sich auch Unternehmen und ganze Industrien dazu zählen, genauso wie gesellschaftliche Gruppen und Initiativen. Und am Ende sind wir alle Teil dieser Weltgemeinschaft. Wenn wir die Nachhaltigkeitsziele ernst nehmen, dann müssen wir uns alle fragen, und zwar jeder in seinem Bereich, wie wir die Nachhaltigkeitsziele erfüllen können.
IT: Teil des Problems – und der Lösung
Der IT kommt dabei eine wichtige Rolle zu: Digitale Technologien sind längst die Basis der modernen Informationsgesellschaft. Sie haben eine wichtige, vielleicht die entscheidende Aufgabe für die Modernisierung der Welt übernommen. Gleichzeitig ist die IT aber auch ein wichtiger Teil des Problems: Rechenzentren sowie digitales Equipment verbrauchen Energie und erzeugen klimaschädliches CO2. Angesichts der exponentiellen Zunahme von Daten, hybriden Arbeitskonzepten und der Zahl von Geräten im vernetzten Internet der Dinge ist das sogar ein stetig wachsendes Problem, dem sich die IT-Industrie stellen muss – und das schon im kommenden Jahr. Denn worauf wollen wir warten?
Allein in Deutschland haben Rechenzentren im Jahr 2020 rund 16 Terawattstunden (TWh) elektrischer Energie verbraucht. Das entspricht einem Anteil von 3,4 Prozent am gesamten Nettostromverbrauch in Deutschland, wie das Borderstep Institut ausgerechnet hat. Allein das Cloud Computing war 2020 für rund 40 Prozent dieses Energieverbrauchs verantwortlich. Bis zum Jahr 2025 wird dieser Anteil voraussichtlich auf 60 Prozent ansteigen – und das, obwohl Rechenzentren durch verbesserte Hardware, Software und Rechenzentrumsinfrastrukturen immer effizienter werden, wie Borderstep feststellt.
Energiebedarf hat komplexe Ursachen
Für diese bisher eher negative Entwicklung in der Energieeffizienz sind mehrere Faktoren verantwortlich: Die Menge an Daten aus Streaming, industriellem Internet of Things (IIoT), dem mobilen Datenverkehr und Cloud Computing wächst exponentiell an und hat sich in den vergangenen zehn Jahren in etwa verzwanzigfacht. Die Workloads der IT wachsen mit: IT-Infrastrukturen, ob in der Cloud oder nicht, wurden im selben Zeitraum rund zehnmal so viel mit Aufgaben der Datenverarbeitung beansprucht.
Schnelle Datenübertragungsmöglichkeiten mit 5G, dazu Konzepte wie das autonome Fahren und Industrie 4.0, die auf diese Technologien angewiesen sind, werden den Energiebedarf zusätzlich nach oben skalieren.
Dabei wird die Energie für unterschiedliche Aufgaben benötigt: rund zwei Drittel des Bedarfs entfallen auf den Stromverbrauch von Komponenten wie Server, Speicherbausteine, das Netzwerk, die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Ein Drittel wird für die Energie aufgewendet, die nötig ist, um Rechenzentren auf Raumtemperatur herunterzukühlen.
Ein echter Klimawandel im Rechenzentrum und beim Betreiben der IT-Infrastruktur ist nicht nur ein Beitrag für mehr Nachhaltigkeit. Es ist auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht geboten: Steigende Preise für Energie und CO2-Abgaben sowie zu erwartende regulatorische Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen („Fit-for-55“) belasten jedes Unternehmen und verlangen schon deshalb nach passenden Antworten.
Was tun?
Am Anfang des Projekts „Nachhaltigkeit in der IT“ steht, wie eigentlich in jedem IT-Projekt mit Erfolgsperspektive, die Ist-Analyse mit der Kernfrage: Wo wird die meiste Energie verbraucht? Auf dem Prüfstand steht die gesamte IT-Infrastruktur, das Rechenzentrum mit allen Servern, das Netzwerk, die Anwendungen und alle Endgeräte sowie vernetzte Produktionsanlagen.
Aus der Analyse folgen strategische Ziele mit wichtigen Kennzahlen: Wie, in welchem Maß und in welchem Zeitraum lässt sich der Energieverbrauch der IT-Infrastruktur nachhaltig reduzieren? Welche Möglichkeiten gibt es, erneuerbare Energien für die Versorgung zu nutzen? Diese Frage wird nicht ganz einfach zu beantworten sein, denn bis 2030 gibt es nicht genügend Strom aus regenerativen Quellen. Deshalb wird es hier auf einen Mix hinauslaufen: Ökostrom auf der einen, selbst hergestellter Strom auf der anderen Seite sowie Maßnahmen zur Verringerung des Bedarfs, etwa durch den Einsatz neuer Speichertechnologien.
Nach der Analyse des Ist-Zustandes folgt ein Blick auf das Potenzial, das Nachhaltigkeit einem Unternehmen bietet: Wie kann ein Unternehmen die Abwärme reduzieren, die beim Rechenzentrumsbetrieb anfällt? Lokal lässt sie sich auf null reduzieren, wenn die Infrastruktur in die Cloud wandert. Allerdings ist das eben nur eine Verlagerung, keine Senkung. Es kommt somit auf das Partnermanagement an. Denn es sieht anders aus, wenn der Cloud-Hoster seine Rechenzentren aus klimatisch günstigen Gegenden anbietet. Island, überhaupt die skandinavischen Länder sind momentan führend darin, Rechenzentren in arktischen Gegenden zu betreiben, wo keine Kühlung notwendig ist.
Auch die Software gehört auf den Prüfstand. Legacy-Systeme etwa bremsen nicht nur die Performance der IT, sondern sind in der Regel auch wenig energieeffizient. Es gibt Unternehmen, die mit jeder Neuanschaffung einer Software eine alte in Rente schicken – aus Gründen der Energieeffizienz und der Nachhaltigkeit.
Schließlich muss der Betrieb der IT überprüft werden: Datensparsamkeit und der Einsatz von, ja, energieeffizienten Algorithmen. Selbst wenn die regulatorischen Vorgaben das Vorhalten vieler Daten verlangen; aus Sicht des Klimaschutzes gibt es dafür keine Notwendigkeit. Für gut trainierte Algorithmen braucht ein Unternehmen nicht unendlich viele Daten. Die richtige Menge tut es auch, und zwar besser. Eine gute Datenstrategie beschäftigt sich auch mit der Datenspeicherung: Welche Daten müssen aus regulatorischen Gründen wirklich vorgehalten werden – und wie lange?
Als Seiteneffekte tragen kluge und wohl trainierte Datenmodelle auch dazu bei, dass der Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten wenn schon nicht sinkt, dann doch zumindest nicht so exponentiell steigt wie bisher. All das sind konkrete Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen und ein Beitrag zum Klimaschutz.
2022 kann das Jahr werden, indem der CIO als IT-Verantwortlicher als festes Mitglied im unternehmensinternen Nachhaltigkeitsrat installiert und die IT in allen Ökostrategien mitgedacht wird, als Problem und als Lösung.
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