Buchhaltung und die Cloud-Frage FiBu von der Durchschrift bis zur SaaS-Ära
„Die Buchhaltung des Lebens stimmt immer; am Schluss ist das Saldo immer Null“, heißt es. Aber auch dazwischen muss die Buchhaltung stimmen, sonst meckert das Finanzamt. Das war vor hundert Jahren so, zur Erfindung der Kontodurchschrift und gilt bis in die SaaS-Zeit.
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Die Geschichte des Software-Anbieters Addison geht ins Jahr 1921 zurück, wenngleich es damals noch nicht um Software ging. Es steht also das hundertjährige Jubiläum an. Die Firma wurde in Stuttgart gegründet. Einer der Gründer hatte die Geschäftsbuchführung mit seiner „Kontobuchführung mit Durchschrift“ auf ein Journal revolutioniert. Dabei wurden in der Kontenführung mehrere Blätter mit Durchschreibepapier als Zwischenlage auf eine Klemmbrett-Mechanik gelegt.
Frederick Winslow Taylor
Das war so viel übersichtlicher, dass, den Unternehmensangaben von damals zufolge, der Zeitaufwand im Vergleich zur Journalbuchführung um fast die Hälfte herabgesetzt werden konnte. Ein zugkräftiger Name musste her. Auf der Suche stieß man auf den deutsch-amerikanischen Unternehmensberater Frederick Winslow Taylor. Dieser Manager verfolgte den Ansatz, Zeitaufwand durch richtige Organisation zu senken. Da mit der Kontobuchführung viel Zeit gegenüber der Journal-Buchführung gespart wurde, war es für die Addison-Gründer naheliegend, den Firmennamen an den Namen Taylor, dessen Thesen damals bei vielen Firmen in Deutschland bekannt waren, anzulehnen. So wurde dann die rein deutsche Firma mit einem amerikanisch klingenden Namen versehen, und Taylorix war geboren.
Der Weg zum Datev-Wettbewerber
1988 wurde Taylorix in eine AG umgewandelt. Hauptaktionär wurde die Porsche Holding in Salzburg. Organisatorisch wurde die Firma in mehrere Geschäftsbereiche aufgeteilt: Steuerberater, Handel, Handwerk und Rechenzentrum. 1994 zog sich die Porsche AG zurück und verkaufte das im Taylorix-Verbund verbliebene Rechenzentrum an den amerikanischen ADP-Konzern. Außerdem entstand über ein Management-Buyout die neue „Taylorix Software und Service“, die dann 1996 in Addison Software und Service umfirmiert wurde. Addison war bis 2005 ein gesellschaftergeführtes Unternehmen. Es folgte eine kurze Ära mit einem Finanzinvestor, an den fünf von sechs Gesellschafter verkauft haben. 2006 wurde der Mitbewerber Wago Curadata mit der sogenannten „Akte“-Lösung erworben. Das ist eine Kanzleilösung für Steuerberater. Man stellte sich als Wettbewerber zur genossenschaftlich organisierten und weit verbreiteten Datev auf.
180 Jahre altes Unternehmen
Wolters Kluwer kam im Jahr 2008 ins Spiel. Der niederländische Konzern, stark in Sachen Softwarelösungen für Steuern und Rechnungswesen, übernahm als strategischer Investor alle Gesellschaftsanteile. Bei Wolters Kluwer N.V. blickt man auch auf eine lange Firmenhistorie zurück. Als die Firma vor rund 180 Jahren gegründet wurde, war das Unternehmen ein reines Verlagshaus, das sich aus vier niederländischen Verlegerfamilien gebildet hatte. 1836 wurden der Wolters Schoolbook-Verlag und 1858 der Noordhoff-Verlag gegründet. 1891 war das Gründungsjahr des Wissenschaftsverlags Kluwer. Schoolbook-Verlag und Noordhoff fusionieren 1968. 1972 schlossen sich wiederum Wolters-Noordhoff mit der Information and Communications Union der Samson-Familie zusammen. 1987 fusionierten dann Kluwer und Wolters-Samson zu heutigen Wolters Kluwer NV. Inzwischen stammen rund 90 Prozent der Umsätze aus dem Software-Umfeld, denn in den vergangenen 15 Jahren gelang die Umpositionierung vom Verlagswesen auf Software, und zwar hauptsächlich durch Zukäufe.
Die Weichen in Richtung Cloud gestellt
So erfolgte beispielsweise 2014 die Übernahme der SBS Software aus Bretten, die mit der SBS Lohn- und Gehaltslösung ebenfalls im Steuerberater- und FiBu-Bereich vertreten ist.
Inzwischen ist Wolter Kluwer als Verlags-, aber hauptsächlich Software-Unternehmen in vier Sparten aufgestellt: „Health“‚ „Tax & Accounting“, „Governance Risk & Compliance“ sowie „Legal & Regulatory“. Vor dem Hintergrund dieser langen Firmenhistorie steht nun die nächste Epoche an: Der Wechsel vom On-Premises- zum SaaS-Zeitalter. Ein wichtiger Akteur dabei ist Andreas Hermanutz, Geschäftsführer bei Wolters Kluwer Software und Service. Der Manager ist seit 20 Jahren im Unternehmen. Bis 2014 hatte er die Gesamtverantwortung für Vertrieb und Service inne und übernahm dann die Bereiche Produktmanagement, Marketing und Innovation. In den letzten sechs Jahren wurde unter seiner Leitung das neue strategische Kernprodukt Addison OneClick für Steuerberater auf den Markt gebracht. Damit, sagt Hermanutz, wurden wesentliche Weichen in der Cloud-Entwicklung gestellt. Nachdem das erledigt war, hat der Manager Anfang dieses Jahres wieder die Verantwortung für Vertrieb und Service übernommen.
Buchhaltungs-Startups mit SaaS-Ansatz
Eine Herausforderung ist sicherlich der hohe Wettbewerbsdruck. „Insbesondere im Buchhaltungsbereich sprießen die Startups wie Pilze aus dem Boden, mit der Versprechung, dass sich die Buchhaltung damit praktisch von selbst erledige“, sagt Hermanutz. Da sei aber viel Marketing dabei und auch wenn bei vielen Kunden das Konzept funktionieren mag, sei der Wechsel von On Premises zur Cloud nicht immer so einfach. Wenn nämlich die Buchhaltung die Grundlage für steuerliche Deklarationen darstellt, kommen diese Lösungen oft an ihre Grenzen, da sie die immense Komplexität des Steuerrechts nicht abbilden würden.
Der Geschäftsführer unterscheidet: „Wenn ein KMU lediglich Belege abfotografieren und, entsprechend gebucht, dem Steuerberater übermitteln will, kann das ausreichen im Sinne einer geordneten Belegabgabe.“ Der Steuerberater mache dann die notwendigen buchhalterischen Korrekturen und Monatsabschlussbuchungen für eine aussagekräftige Monatsauswertung und für eine korrekte Umsatzsteuervoranmeldung.
Schrittweiser Weg in die Cloud
Der Wechsel von On Premises zu Cloud berge neben dem Abbilden der buchhalterischen Komplexität auch andere Herausforderungen für Softwarehersteller. „Es wird anders programmiert in Cloud-nativen Programmiersprachen wie Java. Kunden erwarten außerdem eine andere User-Experience, dergestalt dass die Anwendung sehr einfach zu bedienen sein muss, was wiederum mit dem angebotenen Funktionsumfang in Einklang gebracht werden muss. Prozessorientierte Abläufe, anstatt funktionsorientiertem Aufbau sind das Kernelement“, erklärt Hermanutz. Das biete aber auch die Möglichkeit eines schrittweisen Weges in die Cloud.
So hat man sich bei Wolters Kluwer darauf fokussiert, die Lösungen Schritt für Schritt mit Cloud-Funktionalitäten anzureichern. „Beispielsweise wenn es um integrierte Collaboration-Möglichkeiten geht, wie sie in der Zusammenarbeit mit dem Steuerberater nötig ist“, sagt der Manager. Ein weiterer Mehrwert bestehe im Datenservice, der die Übermittlung aller elektronischen Meldeverpflichtungen an Institutionen, sei es Finanzamt oder Krankenkassen, als zentralen Service übernimmt.
„Cloud um des Cloudens Willen“
Mit der Private Cloud gebe es zudem die Möglichkeit, beide Welten zu verbinden, On Premises und Cloud. Dennoch geht Hermanutz davon aus, dass sich in absehbarer Zukunft alle Buchhaltungs-Szenarien, also auch die komplexeren, rein über die Cloud sinnvoll abbilden lassen und den Ansprüchen der professionellen Nutzer gerecht werden können. Das Leitmotiv beim Eintritt in die SaaS-Ära spiegelt vielleicht folgendes Motto gut wieder, das Hermanutz bereits firmenintern ausgelobt hat: „Wir machen nicht Cloud um des Cloudens Willen.“
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