Digitalisierung, here we come? eHealth im post-pandemischen Zeitalter
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Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Entwicklung von eHealth? Auf welchem Stand befinden wir uns hier in Deutschland, und wie wird es mit der Digitalen Transformation im Gesundheitswesen weitergehen? Ein Überblick.

Die Corona-Krise stellte in den vergangenen zwei Jahren das Leben der meisten Menschen in Deutschland und dem Rest der Welt völlig auf den Kopf: Die Angst, selbst zu erkranken oder seine Liebsten anzustecken, Kontaktbeschränkungen und Home-Office waren nur einige Begleiterscheinungen der Pandemie. Laut den Autoren der Studie „eHealth Monitor 2021“ wirkte die Pandemie auch als Katalysator für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens.
Mitte Februar dieses Jahres beschloss die neue Ampel-Regierung dann den von vielen Bürgern ersehnten Lockerungsplan, der das Ende der strengen Schutzmaßnahmen und die Rückkehr zur Normalität versprach. Was aber bedeutet die Rückkehr zum „Normalzustand“ für die Entwicklung von eHealth in Deutschland, und wie sieht der Status quo nach mehr als zwei Jahren Pandemie aus?
Die digitalen Baustellen
Laut des eHealth-Schlussberichts des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) steht der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens vor allem die noch immer unzureichende Versorgung mit Breitband-Internet in manchen Regionen im Wege. Aber auch die fehlende Interoperalität – sei es im technischen, organisatorischen, sozialen, rechtlichen oder medizinischen Sinne – von eHealth-Lösungen behindere den Digitalisierungsfortschritt. Weiterhin müssten, so der Schlussbericht, die IT-Sicherheit in Gesundheitseinrichtungen verbessert und eine einheitliche Strategie, die stärker auf den Mehrwert der Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung ausgerichtet ist, entwickelt werden. Nicht zuletzt sei es für die nächsten Schritte wichtig, dass das Wissen über und die nötigen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Lösungen dem Fachpersonal und den Patienten vermittelt werde.
Das gesetzliche Fundament
Aus dem eHealth-Schlussbericht des ISI geht hervor, dass sich das deutsche Gesundheitssystem – das eines der teuersten Gesundheitssysteme Europas ist – hinsichtlich der Modernität im europäischen Vergleich in den Jahren 2018 und 2020 verschlechtert hat. Einen Lichtblick scheint es aber trotzdem zu geben: Seit 2018 wurde die fehlende Modernität des Gesundheitswesens in Deutschland vom Gesetzgeber erkannt. So wurden in der vergangenen 19. Legislaturperiode allein sechs Gesetze verabschiedet, die sich speziell mit der Digitalisierung im Bereich Gesundheit befassen.
Ein erstes gesetzliches Fundament wurde also bereits gelegt. Auch auf die gerade gestartete Legislaturperiode kann in diesem Zusammenhang – zumindest was das Bewusstsein auf höchster politischer Ebene angeht – hoffnungsvoll geblickt werden: Die neue Ampel-Koalition im Deutschen Bundestag legt in ihrem Koalitionspapier einen dezidierten Fokus auf die Digitalisierung des Gesundheitssystems.
eRezept: aufgeschoben, nicht aufgehoben
Eigentlich sollte das eRezept bereits zu unserem Alltag gehören. Die geplante verpflichtende Ausstellung elektronischer Rezepte ab 1. Januar dieses Jahres wurde aber verschoben. Der Grund: In der zweiten, bundesweiten Testphase wurden nur wenige eRezepte ausgestellt und eingelöst, weshalb man noch zu wenig über die Praxistauglichkeit des eRezeptes auf Bundesebene sagen könne, so die Begründung der Gematik. Als neues Startdatum für die verpflichtende Einführung des eRezeptes wurde der 1. Juli 2022 angepeilt.
Anfang März soll dann der Stopp von allerhöchster Ebene angeordnet worden sein: Der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach sprach – vermeintlich – von dem Stopp des eRezeptes auf einer Veranstaltung des Kassenärztlichen Bundesverbands (KBV). Ein Pressesprecher des Gesundheitsministeriums teilte aber auf Nachfrage von eGovernment Computing mit, dass die Einführung des eRezeptes nur verschoben und nicht komplett auf Eis gelegt wurde. Hinsichtlich digitaler Anwendungen – wie dem eRezept – müsse eine „Strategiebewertung“ durchgeführt werden. Wie, wann und in welcher Form es mit dem eRezept weitergeht, kann also erst nach der Bewertung des Bundesgesundheitsministeriums eingeschätzt werden.
Zu teuer, um gut zu sein? DiGA in der Kritik
Die Hoffnungen, die in digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) gelegt werden, sind groß: Laut einer Studie von McKinsey, die die entlastende Wirkung von DiGA für Österreich einzuschätzen versucht, läge das Einsparpotential bei 430 Millionen Euro. Die DiGA – auch „Apps auf Rezept“ genannt – sollen die Behandlung etwa bei Depressionen, Schlafstörungen, Suchterkrankungen und Angststörungen unterstützen. In der Zulassung und Erstattung von DiGA ist Deutschland, laut den Ergebnissen des eHealth Monitors 2021, ein Vorreiter.
Trotz des viel gelobten Fast-Track-Verfahrens, das Deutschland zur Zulassung der „Apps auf Rezept“ eingeführt hat, wurden erst 31 Anwendungen in das offizielle DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommen. Gerade einmal 17 dieser 31 Anwendungen werden als App bereitgestellt – bei dem Rest handelt es sich um Webanwendungen.
Auch nach über einem Jahr Fast-Track-Verfahren fällt die Bilanz der Anwendungen in der Praxis eher mau aus: Ärzte verschreiben die „Apps auf Rezept“ sehr selten, und die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) monieren die hohen und intransparenten Preise der Apps.
Videosprechstunden – folgt nach dem Boom die Flaute?
Wenn sich die Corona-Pandemie auf einen Aspekt von eHealth besonders ausgewirkt hat, dann auf die Videosprechstunden. Statt physisch zum Arzt zu gehen, ermöglichen Videosprechstunden den Arztbesuch von der Couch aus. Die Vorteile eines solchen Termins liegen während einer Pandemie auch klar auf der Hand: Das Risiko, sich anzustecken, oder selbst jemanden anzustecken ist viel geringer.
Während der Corona-Pandemie konnten die Videosprechstunden deshalb einen förmlichen Boom bei der Nachfrage und Durchführung verzeichnen. Zwischen den Jahren 2019 und 2020 ist die Nutzung von telemedizinischen Angeboten, wie etwa die Videosprechstunde, um den Faktor 900 gestiegen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das einen Anstieg von ca. 3.000 (in 2019) auf ca. 2,7 Millionen (in 2020) Videosprechstunden im Jahr.
Das ist allerdings ein Trend, der sich nach Einschätzung von Experten nicht ins post-pandemische Zeitalter übertragen lassen wird. „Diese Kurve werden wir so nicht aufrechterhalten. Die Videosprechstunde wird aber auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil der Arzt-Patienten-Interaktion bleiben“, schätzt Laura Richter, Co-Autorin des eHealth Monitors 2021, die zukünftige Entwicklung der Videosprechstunden ein.
Opt-Out statt Opt-In: die Patientenakte
Um die Digitalisierung des Gesundheitswesens sinnvoll vorantreiben zu können, führt wohl kein Weg an einer gut funktionierenden und weit verbreiteten elektronischen Patientenakte (ePA) vorbei. Die Bekanntheit und die Verbreitung der ePA lässt allerdings zu wünschen übrig. Deshalb soll die ePA zukünftig als Opt-Out- statt Opt-In-Modell aufgezogen werden. „Das bedeutet, dass sich die ePA schneller und stärker verbreiten wird, als das bisher der Fall war. Es bleibt aber abzuwarten, wie dies in Zukunft genau ausgestaltet wird“, erklärte Laura Richter, Co-Autorin des eHealth Monitors, im Interview.
Ausblick: Wie entwickelt sich eHealth nach Corona?
Die Corona-Pandemie hat sicherlich die Schwachstellen unseres Gesundheitssystems aufgezeigt und die breitere Masse für digitale Anwendungen im Bereich Gesundheit sensibilisiert – und sei es auch nur durch die Corona-Warn-App. Einen so steilen Entwicklungstrend, wie etwa bei den Videosprechstunden, können wir in einem post-pandemischen Zeitalter vermutlich nicht erwarten. „Einschlafen wird es (die Entwicklung von eHealth in Deutschland) ganz sicher nicht. Wird die Entwicklung so rasant bleiben? Wahrscheinlich auch nicht“, so Richter. Die gestiegene Innovationsbereitschaft beim Thema eHealth hängt also nicht ausschließlich mit der Pandemie zusammen. So stellt laut Natalie Gladkov, Expertin für Digitale Medizinprodukte beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), vor allem auch ein Generationenwechsel in Krankenhäusern und Arztpraxen einen Treiber der Digitalisierung im Gesundheitswesen dar.
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