Für Startup-Politik nur die Note „ausreichend“ ITK-Startups kommen passabel durch die Pandemie
So schwarz, wie viele Gründer dachten, kam es in der Covid-19-Krise für die Meisten nicht, obwohl 16 Prozent die Gefahr einer Insolvenz sehen. Gleichzeitig glauben 40 Prozent, von der Krise zu profitieren. Sorgen macht die Finanzierung, zumal der Kapitalbedarf gestiegen ist.
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Der Bitkom hat ein besonderes Augenmerk auf Tech-Startups geworfen, zumal diese als Innovationskraft eine wichtige Rolle für Deutschland spielen. Entsprechend regelmäßig befragt der ITK-Verband die jungen Unternehmen. Durchschnittlich haben Tech-Startups derzeit 24 Beschäftigte. Im Vorjahr lag die Zahl mit 21 noch leicht darunter. In jedem fünften (21 %) arbeiten 20 oder mehr Menschen, aber in rund der Hälfte (49 %) weniger als zehn.
Auch im kommenden Jahr sieht es aus, als ob die Beschäftigtenzahl weiter steigt. In sechs von zehn neugegründeten Unternehmen gibt es unbesetzte Stellen. Rund drei Viertel (78 %) der Gründer erwarten, dass die Beschäftigtenzahl 2021 steigen wird. 14 Prozent erwarten keine Veränderung. Nur vier Prozent gehen von einem Rückgang aus. „Neben guten Ideen sind die Mitarbeiter für viele Startups die entscheidende Ressource. Es ist ein gutes Zeichen, dass im vergangenen Corona-Jahr die Beschäftigtenzahl nicht reduziert wurde, obwohl viele Startups von der Krise wirtschaftlich hart getroffen wurden“, findet Bitkom-Präsident Achim Berg.
Weniger Zusammenarbeit mit Alteingesessenen
Dass die Pandemie jedoch alles andere als problemlos an den Jungfirmen vorübergeht, zeigt sich an der verminderten Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen. Zwar kooperieren drei Viertel (76 %) der Startups mit Mittelständlern, Konzernen oder Global Playern. Vor einem Jahr waren es allerdings noch 90 Prozent. Am häufigsten werden bei solchen Kooperationen neue Produkte und Dienstleistungen (54 %) entwickelt. Vier von zehn Startups (43 %) arbeiten auf sonstige Art und Weise zusammen, zum Beispiel im Rahmen von Gründerwettbewerben. Jedes Sechste (17 %) gibt an, dass etablierte Unternehmen eine finanzielle Beteiligung bei ihnen halten.
„In der Pandemie haben alle mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Auch wenn Vieles im Alleingang schwieriger ist: Kooperationen wurden während Corona vernachlässigt – von beiden Seiten“, erklärt Bitkom-Präsident Berg. „Dabei gilt es, gerade in Krisenzeiten zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen.“
Von der gemeinsamen Arbeit profitieren beide Seiten: Sechs von zehn (61 %) Startups, die mit alteingesessenen Unternehmen Produkte und Dienstleistungen entwickeln oder auf sonstige Art und Weise zusammenarbeiten, berichten von überwiegend positiven Erfahrungen. Genauso viele konnten neue Kunden und Märkte erschließen und über die Hälfte (54 %) ihr Produkt verbessern. Vier von zehn (41 %) stellen durch die Zusammenarbeit eine größere fachliche und technologische Expertise bei sich fest.
Ebenso lernen die etablierten Unternehmen von den Neulingen, da sie sich sich meist aufgrund unterschiedlicher Stärken und Schwächen ergänzen, wie 47 Prozent der Gründer berichten. Ein Viertel (27 %) sagt allerdings, dass die etablierten Firmen mehr von ihnen profitieren als umgekehrt. Fast zwei Drittel (63 %) der Startups geben an, dass ihnen die Prozesse bei den älteren Betrieben viel zu langsam und aufwändig waren. Gleichzeitig sagt jedes Vierte, dass es die etablierten Unternehmen als arrogant gegenüber Startups erlebt hat. „Die Zusammenarbeit muss auf Augenhöhe stattfinden“, betont der Bitkom-Präsident. „Sie ist dann besonders wertvoll, wenn man in der Lage ist, die eigenen Schwächen und die Stärken des Partners zu erkennen und anzunehmen.“
Finanzbedarf gestiegen
Nach wie vor bleibt die Finanzierung für viele Startups eine Herausforderung. Drei Viertel (76 %) brauchen in den kommenden zwei Jahren frisches Kapital. Und die große Mehrheit (86 %) von ihnen hat die Finanzierung noch nicht sichergestellt. Im Schnitt benötigen diese Startups vier Millionen Euro. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als der Bedarf bei lediglich 3,3 Millionen Euro lag. Die Jahre zuvor waren es ebenfalls nur 3,2 Millionen Euro (2019) und 3,1 Millionen Euro (2018).
„Viele Startups haben ambitionierte Wachstumsziele und wollen international expandieren – das zeigt sich auch im steigenden Kapitalbedarf. Mehr Gründungen sind erfolgreich und in der Wachstumsphase angekommen, damit werden Finanzierungsrunden größer“, führt Berg als Begründung für das nötige Kapital an. „Diese Finanzierungsrunden sind wichtig und müssen gelingen, damit wir schnell wachsende Startups mit ihren innovativen Lösungen und hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Deutschland halten und entwickeln können.“
Die große Mehrheit der Startups mit ungedecktem Kapitalbedarf ist zuversichtlich, diesen decken zu können. Jedes Dritte (35 %) hält das für sehr wahrscheinlich, jedes Zweite (48 %) für eher wahrscheinlich. Gerade einmal neun Prozent halten eine erfolgreiche Finanzierung derzeit für eher unwahrscheinlich, nur fünf Prozent für sehr unwahrscheinlich. Im vergangenen Jahr hatte Covid-19 für große Skepsis bei der Finanzierung gesorgt. Im Mai vergangenen Jahres glaubten nur 67 Prozent der Befragten mit Finanzbedarf an eine erfolgreiche Kapitalsuche, nach 83 Prozent zu Jahresbeginn. Dieser Wert ist jetzt wieder erreicht.
Staatliche Hilfen
Die Politik hat in der Krise zahlreiche Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, von denen auch Startups profitieren sollen. Rund jedes dritte Startup (38 %) hat bislang finanzielle Unterstützung beantragt und erhalten. Weitere vier Prozent haben Hilfen beantragt, warten aber noch auf Geld, und bei ebenfalls vier Prozent wurden Zahlungen abgelehnt. Drei von zehn Befragten haben keine Hilfen beantragt, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen konnten. Zudem benötigt rund jedes fünfte neugegründete Unternehmen (22 %) überhaupt keine Hilfe.
Nur fünf Prozent aller Startups sind mit den staatlichen Hilfsangeboten zufrieden, 26 Prozent eher zufrieden. Aber 31 Prozent sind eher unzufrieden, 21 Prozent sogar völlig unzufrieden. „Die zu Beginn der Pandemie befürchtete Pleitewelle bei Startups ist bislang ausgeblieben. Das spricht für den Reifegrad, den unser Startup-Ökosystem inzwischen erreicht hat. Viele Tech-Startups zeigten sich wirtschaftlich solide und stabil, auch in der Krise“, erklärt Berg. „Was die Effekte der Corona-Pandemie und die Hilfsmaßnahmen der Politik angeht, so scheiden sich in der Startup-Szene die Geister. Selten sieht man auf der einen Seite so viel Licht und auf der anderen Seite so viel Schatten.“
Beinahe neun von zehn Gründern (87 %) kritisieren, dass sich die staatlichen Hilfsmaßnahmen zu stark an den Bedürfnissen von Konzernen und Mittelständlern orientiert hätten und zu wenig an jenen von Startups. Die Hälfte (54 %) fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Rund zwei Drittel (62 %) erwarten in Folge der Pandemie eine Pleitewelle unter den deutschen Startups, 16 Prozent glauben, dass aus diesem Grund dem eigenen Startup eine Insolvenz droht. Ein Grund dafür: Für 55 Prozent der Startups ist es in der Krise schwieriger geworden, neue Investoren zu gewinnen. Auf der anderen Seite sagen aber 40 Prozent, dass ihr Startup von der Krise profitiert hat. „Die Startup-Szene ist sehr heterogen. Die Krise hat Startups in der Gründungs- und in der Wachstumsphase sehr unterschiedlich getroffen“, so Berg. „Manche Geschäftsmodelle etwa im Bereich E-Commerce oder Health haben in Corona-Zeiten massive Nachfragesteigerungen erlebt, andere – etwa im Tourismus oder rund um Mobilitätsdienste – mussten ihr Geschäft fast auf Null runterfahren.“
Eine breite Mehrheit von 89 Prozent wünscht sich, dass Politik und Verwaltung viel stärker auf die Produkte und Dienstleistungen von Startups zurückgreifen, um die Corona-Krise zu bewältigen. Immerhin 42 Prozent geben an, dass sie mit ihren Angeboten den Kampf gegen das Corona-Virus unterstützt haben.
Schlechte Noten für die Bundesregierung
Wenige Monate vor der Bundestagswahl sagen nur noch 39 Prozent, dass sich die allgemeine Lage für Startups in den vergangenen zwei Jahren verbessert hat. Ähnlich viele (35 %) sehen die Situation unverändert, jedes Fünfte (20 %) beklagt eine Verschlechterung. Vor einem Jahr sprachen noch 47 Prozent von einer verbesserten Lage, gerade einmal acht Prozent von einer verschlechterten.
Für die Startup-Politik in der laufenden Legislaturperiode geben die Gründer nur die Durchschnittsnote „ausreichend“ (4,2). Dabei vergibt kein einziges Startup die Note „sehr gut“, lediglich drei Prozent sehen eine „gute“ Startup-Politik. Aber mehr als jedes Vierte (28 %) beklagt eine „mangelhafte“ Politik, 12 Prozent vergeben sogar die Note „ungenügend“.
Etwas optimistischer beurteilen die Gründer die Lage ihres eigenen Unternehmens. Hier sagen 41 Prozent, die Situation habe sich verbessert, im Vorjahr lag der Anteil bei 40 Prozent. Aber 18 Prozent beklagen eine Verschlechterung, nach nur 12 Prozent 2020. 37 Prozent sehen keinerlei Veränderung (2020: 40 %).
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