Computing-Technik der Zukunft Erster IBM-Quantencomputer „Q System One“ in Europa
Am Dienstag stellten die Fraunhofer Gesellschaft und IBM den ersten Quantencomputer des US-Konzerns in Europa vor. Die Partner sehen darin einen „Meilenstein für anwendungsnahes Quantencomputing in Deutschland“.
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Um 14 Uhr war es soweit: IBM hat gemeinsam mit der Fraunhofer Gesellschaft den ersten Quantencomputer des US-Konzerns in Europa vorgestellt. Die Anlage steht im Rechenzentrum am Deutschlandsitz des IT-Unternehmens in Ehningen bei Stuttgart. Akteure unter dem Dach der Fraunhofer-Gesellschaft sollen sie nutzen können, um die Technologie, Anwendungsszenarien und Algorithmen weiter zu erforschen.
Außerdem sollen mit dem Hochleistungsrechner bundesweit Kompetenzen in Wirtschaft und Wissenschaft aufgebaut und damit internationale Wettbewerbsvorteile geschaffen werden. Bei der Anlage handelt es sich nach IBM-Angaben um „Europas leistungsstärksten Quantencomputer im industriellen Kontext“.
Deutschland investiert, um führende Rolle einzunehmen
Nach dem Willen der Bundesregierung soll Deutschland bei der Zukunftstechnologie eine führende Rolle einnehmen. Daher stellt sie Mittel zur Entwicklung der superschnellen Rechner bereit – zuletzt rund zwei Mrd. Euro aus den Etats des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesforschungsministeriums.
Ziel ist es, Quantencomputer bald auch ohne Hilfe der Amerikaner bauen zu können. Davon ist man zwar bislang noch entfernt, doch es gibt Erfolge: So gelten die deutschen Mittelständler Trumpf und Sick bei quantenoptischen Sensoren als führende Knowhow-Träger.
Merkel: „Deutschland gehört in der Quantentechnologie-Forschung zur Weltspitze“
In einem Videostatement zur Vorstellung des Rechners sagte Bundeskanzlerin Merkel, dass Deutschland in der Quantentechnologie-Forschung zur Weltspitze gehöre. Nun müssten die Forschungsergebnisse "möglichst schnell" auch für wirtschaftliche Anwendungen nutzbar gemacht werden.
Quantencomputer sind in bestimmten Anwendungsbereichen bisherigen Supercomputern weit überlegen. Sie können selbst für sehr komplexe Aufgabenstellungen extrem schnell Entscheidungen liefern. So lassen sich nach Meinung von Experten mit Quantencomputern zum beispiel kritische Sicherheitsinfrastrukturen stabilisieren, bessere Algorithmen für die industrielle Fertigung entwickeln sowie Batterie- und Brennstoffzellen besser modellieren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht in den Maschinen nicht weniger als den „Schlüssel zur Zukunft“.
Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ist überzeugt: „Wenn Deutschland weiter zu den Innovationstreibern gehören will, muss man anwenderbezogene Expertise aufbauen – sprich: Wir brauchen Lösungen, die deutsche und europäische Unternehmen im internationalen Wettstreit mit den USA und China weiterbringen.“
Quantencomputing: Deutschland will führend werden, IBM führt bereits
IBM gilt – neben Google – auf dem Gebiet der Quantencomputer als führend. Die Installation der nun vorgestellten Anlage in Deutschland begann dem Unternehmen zufolge im November. Seit Februar arbeiten Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft damit.
Die jetzige Kooperation geht auf eine Vereinbarung im März 2020 zurück. Deren Ziel war und ist es, Quantencomputing in Deutschland voranzubringen. Im Mittelpunkt der Kooperation steht der Zugriff auf den nun installierten IBM-Quantencomputer unter dem Dach eines bundesweiten Fraunhofer-Kompetenznetzwerks, um „Technologie, Anwendungsszenarien und Algorithmen zu erforschen und Kompetenzaufbau sowie Wettbewerbsvorteile für die hiesige Wirtschaft und Wissenschaft zu generieren“. Dafür erhalten Unternehmen und Forschungseinrichtungen Zugriff auf IBM Quantencomputer in den USA – und jetzt eben auch in Deutschland.
Partnernetzwerk aus Forschung und Industrie unter einem Dach
Fraunhofer will etablierte Partner aus Forschung und Industrie unter dem Dach einer Forschungsinfrastruktur von Fraunhofer-Instituten zusammenzubringen, die als Kompetenzzentren in einem zentral koordinierten nationalen Fraunhofer-Kompetenznetzwerk für Quantencomputing zusammenarbeiten.
Nach Angaben der Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF hat sich das Netzwerk zum Ziel gesetzt, anwendungsorientierte Quantencomputerstrategien unter vollständiger Datenhoheit nach europäischem Recht zu entwickeln und Erkenntnisse zu transferieren. Es wird zunächst mit Kompetenzzentren in voraussichtlich sechs Bundesländern vertreten sein – Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aktuell sind über zehn Fraunhofer-Institute auf verschiedenen Feldern der Quantentechnologie aktiv.
Fraunhofer IAF ist Teil des Kompetenznetzwerks
Konkret möchte das Fraunhofer IAF im Rahmen des Kompetenzzentrums „Quantencomputing Baden-Württemberg“ signifikante Fortschritte in der Performance von verschränkten Qubits und Quantenspeichern beisteuern. Ziel des IAF ist es nach eigenen Angaben, durch Forschung und Entwicklung neuartiger Quanten-Hardware die erreichbaren Rechenzeiten von Quantencomputern zu erhöhen und Fehlerraten zu reduzieren.
Demnach wird sich die Forschung und Entwicklung am Fraunhofer IAF über die Entwicklung von Quanten-Hardware entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette, also von der Entwicklung neuartiger Materialstrukturen und Prozesstechnologien über die Schaffung einer begleitenden Analytik und Qualitätssicherung quantenelektronischer Bauelemente bis hin zur Erforschung neuartiger Aufbau- und Verbindungstechniken sowie zur Demonstration leistungsfähiger Quantenspeicher und prozessierender Komponenten erstrecken.
Fraunhofer IAF will Kernparameter optimieren
Laut Fraunhofer IAF ist das IBM Q System One auf die Qualität, Stabilität, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit von Multi-Qubit-Anwendungen hin optimiert. Aufgrund dieser Faktoren und des daraus resultierenden hohen Quantum Volumes (eine Maßzahl für die Leistungsfähigkeit eines Quantenrechners) soll das IBM Q System One modernste Forschungsarbeiten für konkrete Anwendungsszenarien in Wissenschaft und Industrie ermöglichen.
IBM ist einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Quantencomputer. Bereits seit 2016 stellt das Unternehmen Quantencomputer über die Cloud für jedermann kostenlos zur Verfügung. Diese Möglichkeit haben nach eigenen Angaben inzwischen hunderttausende Anwender genutzt und auf speziellen Algorithmen basierende Signale an die Rechner geschickt.
Mit Material von dpa.
Dieser Artikel erschien zuerst auf unserem Partnerportal Industry of Things
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