Northern Data Vom Bitcoin-Miner zum HPC-Infrastruktur-Anbieter

Redakteur: Ulrike Ostler |

Moderne, Energie-effiziente und gut skalierbare High-Performance-Computing-Anwendungen in zeitlich schlanken Prozessen, als Turnkey-Lösung passgenau abgestimmt auf die Anforderung des Kunden anzubieten – das Frankfurter Unicorn Northern Data verfolgt einen anspruchsvollen Unternehmensauftrag.

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Das Rechenzentrum in Texas, nahe Austin, betreibt Northern Data HPC-Anwendungen im Bereich Blockchain wie Bitcoin-Mining für internationale Großkonzerne. Die GPU-Rechenzentren sind für KI-und ML-Anwendungen gedacht.
Das Rechenzentrum in Texas, nahe Austin, betreibt Northern Data HPC-Anwendungen im Bereich Blockchain wie Bitcoin-Mining für internationale Großkonzerne. Die GPU-Rechenzentren sind für KI-und ML-Anwendungen gedacht.
(Bild: Northern Data AG)

Wo werden High-Performance-Computing (HPC)-Anwendungen benötigt? Sie tragen dazu bei, digitale Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, Internet of Things oder Blockchain und viele andere, die heute in aller Munde sind und entscheidend zu Wohlstand und gesellschaftlicher Entwicklung beitragen, voranzutreiben.

Die Ausrichtung kommt an: Das noch junge Unternehmen – 2020 war das erste Geschäftsjahr als Northern Data – legt bei seinem Wachstum eine rasante Geschwindigkeit vor und kalkuliert bereits mit dreistelligen Millionenumsätzen.

Milliarden von Daten in Echtzeit

Angefangen hat das Unternehmen 2009 mit 50 Rechnern als Northern Bitcoin im Bitcoin Mining. Erstnotierung des deutschen Unternehmens Northern Bitcoin AG war dann der 1. April 2015 mit Mathis Schultz als Vorstandsvorsitzenden. In den Jahren hat das Unternehmen nicht nur ein enormes Know-how bezüglich Kryptowährungen und den speziellen Anforderungen sowie dem effizienten Betrieb von Mining-Rechenzentren gesammelt, sondern ausgeweitet auf High Performance Computing in großem Maßstab.

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Das Unternehmen hatte nicht nur eine selbst entwickelte Mining-Software, sondern auch schon immer eigene Rechner. Unter anderem war die Northern Bitcom AG in der ehemaligen norwegischen Mineralmine Lefdal Mine mit Containerrechenzentren vertreten. Jüngster Coup ist die Übernahme Rechenzentrums Hydro66 im schwedischen Boden (siehe. Kasten). Ein neuer Standort in Kanada ist angekündigt.

Ende 2020 wurde nach der Fusion mit der amerikanischen Whinstone US, Inc. aus der Northern Bitcoin AG die Northern Data AG. CEO der Gesellschaft ist seit dem 1. Januar 2020 Aroosh Thillainathan, Gründer und bisheriger Whinstone-Geschäftsführer.

Die Container von Northern Data in der Lefdahl Mine (Norwegen) werden mit Fjordwasser gekühlt.
Die Container von Northern Data in der Lefdahl Mine (Norwegen) werden mit Fjordwasser gekühlt.
(Bild: Northern Data AG)

Die mobilen, eigens entwickelten Container von Northern Bitcoin erlauben es, ein modernes Rechenzentrum schnell an jedem Ort der Welt zu errichten. Die mobilen HPC-Einheiten finden sich derzeit an Standorten des Unternehmens in den USA, in Kanada und Skandinavien sowie in den Niederlanden und in Deutschland.

Whinstone hatte sich hingegen auf große stationäre Rechenzentren konzentriert. Zum Zeitpunkt der Fusion hatte Whinstone in Texas bereits auf einer Fläche von mehr als 40 Hektar – das entspricht rund 57 Fußballfeldern – den Baus des größten HPC-Rechenzentrums in den USA und gleichzeitig der größte Anlagen der Welt speziell für HPC-Anwendungen begonnen. Die Gesamtkapazität soll etwa ein Gigawatt betragen.

Zielmarkt: Anwender mit rechenintensiven Anwendungen

Und während Northern Bitcoin vor allem die eigenen Kapazitäten genutzt hat, um auf eigene Rechnung Bitcoins zu generieren, ist Whinstone vor allem ein Serviceprovider gewesen, der seine Datencenter-Kapazitäten an internationale Konzerne vermietet hat, die diese wiederum teilweise für Bitcoin-Mining, teilweise aber auch für andere rechenintensive Anwendungen genutzt haben.

High Performance Computing zeichne sich vor allem dadurch aus, so Thillainathan, dass hohe Datenmengen in kürzester Zeit verarbeitet werden. „Wir sprechen hier von Tausenden Hochleistungscomputern, die in Echtzeit Milliarden von Daten verarbeiten. Dadurch kann man HPC für Aufgaben einsetzen, die ansonsten nur mit einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand gelöst werden können“.

Northern Data setzt die HPC-Rechenleistungen für seine Kunden in jeder Hinsicht hoch effizient um. Dies geschieht zum einen auf Basis einer eigenen Management-Software und selbst entwickelter energiesparender Kühltechniken. In Kombination werden dabei In den Rechenzentren des Konzerns Spitzenwerte für die Effizienz der Energienutzung (Power Use Effectivity, PUE) von 1,1 und besser erzielt. Das heißt, weit über 90 Prozent der Energie werde nur für das Rechnen verwendet, so Northern Data.

Maßgeschneidertes HPC

Auf der Hardwareseite arbeitet Northern Data mit Marktführern wie Gigabyte und AMD zusammen. So baut Gigabyte die Hochleistungsserver und kombiniert die von Northern Data ausgewählten AMD-Prozessoren mit einer spezifischen Serverarchitektur.

Ein weiteres, ganz entscheidendes Asset des jungen Technologieunternehmens ist sein „design-to-cost“-Ansatz: Der Kunde bekommt genau die Leistung, die er für die Bewältigung seiner Aufgabe braucht.

Die beginnt bei der optimalen, auf die Aufgabe spezialisierte Hardware. Die Konfiguration der Aufgabe führt dann über Fragen wie Schnelligkeit, Sicherheit und Redundanz der Rechenleistung bis hin zur bedarfsgerechten Standortauswahl im Hinblick auf Energieversorgung, die Netzwerkbandbreite sowie die Latenz, also die Verzögerungszeit bei der Datenübertragung. Das Unternehmen bietet dabei unterschiedliche Modelle für den Kunden, es betreibt sowohl Kundenhardware („Infrastructure as a Service“), bietet am anderen Ende der Angebotspalette aber auch die Möglichkeit, Jobs komplett für Kunden durchzuführen („Plattform as a Service“).

Wachstum aufgrund massiver Nachfrage

Die hohe Rechenleistung, die Northern Data skalierbar anbietet, treibt praktisch jedes technologische Kerngebiet, in dem mit Hilfe von HPC große Datenmengen schnell und möglichst kosteneffizient verarbeitet werden müssen. Das sind Bereiche wie Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Blockchain, Big Data, IoT, Deep Learning oder Videorendering. „Diese Bereiche haben eine massive Nachfrage nach Rechenkapazitäten und etablieren sich gerade am Markt“, so Aroosh Thillainathan.

Für 2021 erwartet Thillainathan Umsatzerlöse von 350 bis 400 Millionen Euro und ein EBITDA von 100 bis 125 Millionen Euro. Die Prognose für 2021 liegt damit deutlich über dem Forecast für das laufende Geschäftsjahr 2020, das voraussichtlich mit Umsatzerlösen in Höhe von 120 Millionen Euro und einem EBITDA zwischen EUR 45 Millionen Euro und 60 Millionen Euro abgeschlossen wird. Für die darauffolgenden Jahre erwartet das Management eine Fortsetzung des dynamischen Wachstums.

Um das Wachstum von Umsatz und Gewinn zu unterstützen, haben Vorstand und Aufsichtsrat eine Kapitalerhöhung um 900.000 neuer Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts beschlossen. Die Aktien wurden am 15. Dezember zu 58,30 Euro ausgegeben und von den Gründungsaktionären Blackmars Capital, der Apeiron Investment Group – dem Family Office von Christian Angermayer – sowie weiteren strategischen Finanzinvestoren übernommen. Die Transaktion wurde von Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG gemanagt. Der Gesellschaft flossen damit 52,5 Millionen Euro an frischem Kapital zu.

Die Anzahl der Mitarbeiter ist innerhalb der vergangenen 13 Monate von acht auf 150 angewachsen. „Die Vielzahl der Einsatzgebiete explodiert förmlich“, so Thillainathan. Jeden Tag steigen die Anfragen nach HPC-Lösungen. Mehr noch: Mancher Geschäftspartner ist kurzerhand gleich Aktionär geworden. Neben den Dienstleistungen konnte er damit auch vom steigenden Unternehmenswert profitieren: Der Wert der Aktie vervierfachte sich binnen Jahresfrist.

Rechenzentren in den Niederlanden und in Deutschland

Im November 2020 hatte Northern Data ein Rechenzentrum in der Nähe von Maastricht in Betrieb genommen, das nach Unternehmensangaben Teil eines der größten GPU-Cluster weltweit ist, den das Unternehmen neben Maastricht auch an Standorten in Skandinavien und Kanada aufbaut.

Seit Dezember 2020 ist das erste eigene deutsche Rechenzentrum und zwar am Standort Frankfurt am Main in Betrieb, als Teil eines „Distributed Computing Cluster“, welches das GPU-Cluster in den Niederlanden, Skandinavien und Kanada erweitert. Am Standort Frankfurt sind verschiedene Kooperationen in Zusammenarbeit mit lokaler Forschung und Industrie geplant.

Stefan Sickenberger, COO von Northern Data, erläutert: „High Performance Computing ist aus der Forschung und großen Teilen der Industrie nicht mehr wegzudenken. Charakteristisch sind parallele Prozessorsysteme und Cluster, die große Rechenoperationen innerhalb kürzester Zeit, unter maximaler Stabilität verarbeiten. Dies wird umso effizienter, je niedriger der Energieverbrauch ist. Wir freuen uns, dass wir dabei mit Partnern aus der Forschung zusammenarbeiten. Besonders stolz sind wir in diesem Zusammenhang auf die Kooperation mit der Arbeitsgruppe Hochleistungsrechnerarchitektur der Goethe-Universität Frankfurt, die insbesondere im Bereich Green IT über eine sehr große Expertise verfügt.“

Volker Lindenstruth, Professor für die Architektur von Hochleistungsrechnern an der Frankfurter Goethe-Universität und Mitglied im Board of Directors des Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) kommentiert: „Wir freuen uns, mit Northern Data zusammenzuarbeiten. Konkret geht es um die Kopplung der Forschungshochleistungsrechner der Goethe-Universität und des GSI Helmholtz-Zentrums für Schwerionenforschung mit den Hochleistungsrechnern der Northern Data, so dass wir die vorhandene, externe Rechenleistung möglichst smart nutzen können. Hierbei können Spitzenlasten abgefangen oder auch besonders große Jobs mit minimalen Wartezeiten gestartet werden.“ Das wissenschaftliche Spektrum umfasse unter anderem Berechnungen und Modellierungen der Teilchenphysik und der relativistischen Astrophysik, der Umwelt- und Atmosphärenphysik sowie den Lebenswissenschaften, zum Beispiel in der digitalen Pathologie zur möglichst präzisen und automatisierten Erkennung von Krebszellen in Gewebeschnitten.“

CEO Thillainathan führt weiter aus: „Über allem steht unser Konzept ‘Design-to-Cost‘: Wir managen das Rechenzentrum und die Hardware des Kunden bis zur Software und können somit den Rechenzentrumsbetrieb auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden optimieren.“

Für die GPU-Cluster erwartet Aroosh Thilainthan (im Bild) im ersten Halbjahr 2021 eine FP64-Rechenleistung von etwa 404 Petaflops.
Für die GPU-Cluster erwartet Aroosh Thilainthan (im Bild) im ersten Halbjahr 2021 eine FP64-Rechenleistung von etwa 404 Petaflops.
(Bild: Northern Data AG)

Er setzt hinzu: „Im Gegensatz zu reinen Co-Location-Anbietern, die keinen Einfluss auf beispielsweise die Lastverteilung ihrer Kunden und deren Softwareprozesse innerhalb des Rechenzentrums haben, können wir dies durch unsere Management-Software steuern. Unter anderem regeln wir auch die Kühlleistung bezogen auf die benötigte Rechenleistung sehr effizient und erreichen damit exzellente PUE-Werte. Unsere Kunden sparen dabei Energie und somit Kosten.“ Zusammen mit der gezielten Standortauswahl in nördlichen Regionen versetze uns das Northern Data in die Lage, den Kunden hochwertige, auf ihre Bedürfnisse maßgeschneiderte HPC-Lösungen anzubieten und dabei extrem kosteneffizient zu bleiben.

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