Diskussion auf dem DataCenter Day: Wie modular können, dürfen, sollten, müssten Rechenzentren sein Modulare Rechenzentren zwischen Skalierbarkeit und Zertifizierbarkeit

Autor / Redakteur: Rainer Hilsenbeck* / Ulrike Ostler

Über die Bedeutung von Rechenzentren muss man nicht mehr reden, eben so wenig über den rasant steigenden Bedarf an Rechenleistung. Über alternative Rechenzentrumskonzepte allerdings sollte man nachdenken, und dabei auch mal den Blickwinkel wechseln.

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Das Bild gehört zum „MRZ“ von ITecon im Industriegebiet von Mainz-Hechtsheim. Die Rechenzentrumsanlage wurde 2018 erstellt und ist seit Anfang 2019 produktiv. In der ersten Ausbaustufe wurden zwei Rechenzentrumsmodule realisiert, weitere sechs Module können je nach Bedarf auf dem mehrfach gesicherten Gelände installiert werden.
Das Bild gehört zum „MRZ“ von ITecon im Industriegebiet von Mainz-Hechtsheim. Die Rechenzentrumsanlage wurde 2018 erstellt und ist seit Anfang 2019 produktiv. In der ersten Ausbaustufe wurden zwei Rechenzentrumsmodule realisiert, weitere sechs Module können je nach Bedarf auf dem mehrfach gesicherten Gelände installiert werden.
(Bild: ITecon Gruppe)

Was sind Rechenzentren eigentlich: Immobilien oder technische Anlagen? Immobilien sind für Menschen gemacht, nicht für Rechenzentren. Das, so wird gesagt, war der Perspektivenwechsel bei Google, als man vor weit über zehn Jahren erkannte, dass Gebäude als Shelter für Rechenzentren viel zu teuer und vor allem viel zu unflexibel sind.

Immobilie oder technische Anlage?

Wir Menschen leben und arbeiten zwar in Gebäuden, in den Rechenzentren aber findet man uns kaum noch. Dort gibt es nur IT-, Kühl- und Überwachungssysteme, die, so Google, platzsparender, Energie-effizienter und vor allem skalierbarer untergebracht werden können. Nicht umsonst hält Google die meisten Patente für Rechenzentren in Containern.

Rechenzentrumscontainer sind heute nicht mehr State of the Art. Sie wurden weiterentwickelt. Moderne Datacenter-Module sehen nur noch von weitem aus wie Container. Sie sind individuell designed, die Stahl-Außenwände bis zu 15 Zentimeter dick und standhaft beziehungsweise dauerhaft wie Beton. Die Module sind, bis auf die IT, komplett ausgestattet und die Abmessungen so optimiert, dass alles leicht zugänglich ist.

Sie werden industriell nach ISO-Standard gefertigt, vor ihrer Auslieferung auf volle Funktion getestet und an einem Tag fix und fertig vor Ort aufgestellt. Dabei reicht die Bandbreite von autarken Edge-Modulen ab drei Metern Länge bis hin zu 18 Meter langen Modulen für das High Performance Computing (HPC) mit 24 Racks und einem halben Megawatt Leistung.

Standard und doch individuell

Das alles ist mittlerweile möglich bei einem durchschnittlichen Jahres-PUE (mittlere Breitengrade) kleiner als 1,1. Und das Beste daran: Die Ausstattung wird auf die Kundenanforderungen zugeschnitten. Das gilt für nahezu alle Komponenten, für die eingesetzten Klima-Technologien, die Sicherheitssysteme, die Feuerlöscheinrichtung und für die IT sowieso.

Solche Datacenter-Module sind technische Anlagen im eigentlichen Sinn. Sie sind nicht nur bedarfsgerecht skalierbar und können Modul für Modul erweitert werden, sie unterliegen auch keinen der für Immobilien üblichen Nachteile oder Beschränkungen.

Das beginnt bei den für Bauten langwierigen Genehmigungsverfahren, vermeidet komplett die Gewerke-Vielfalt, weil alles aus einer Hand kommt, und reicht bis hin zu Finanzierungs- und Abschreibungsmöglichkeiten, wie sie für technische Anlagen möglich sind, nicht aber für Bauwerke. Selbst versicherungstechnisch genügen Rechenzentrumsmodule den VDI-Bestimmungen und können zusammen mit der IT wie technische Anlagen eingestuft werden. Letztendlich fallen sie so in den Verantwortungsbereich der Unternehmens-IT und bleiben, bis auf Aufstellungsort, Fundament und Anschlüsse, weitestgehend unabhängig vom Facility-Management.

Die Skalierbarkeit

Dass sich Datacenter-Module ganz anders skalieren lassen als ein Rechenzentrum im Gebäude, versteht sich von selbst. Zwar kann man auch in Gebäuden modular agieren, aber das Raster ist anders, die Anfangsinvestition höher und ein Technologie-Mix, der auf Grund der technologischen Entwicklung über die zukünftigen Jahre wahrscheinlich ist, riskanter. Ein Black Building Test ist zum Beispiel im gewachsenen Gebäude-Datacenter schwierig bis unmöglich, im Modul aber machbar.

Wenn man dazu bedenkt, dass die Datacenter-Module in Größe und Ausstattung auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sind, so ergeben sich daraus ganz andere Perspektiven. Im Grunde kann der Kunde selbst bestimmen, mit welcher Rechenzentrumsgröße er startet und in welchen Schritten er später skalieren will.

Das funktioniert deshalb, weil Datacenter-Module – zumindest von Anbietern wie der Automation NV und ITecon Modular Datacenters GmbH – nicht an Standardgrößen gebunden sind. Sie verbinden die Vorteile industrieller Fertigung mit der Flexibilität individuellen Designs. Zusätzlich, und das darf man nicht unterschätzen, bedeutet diese Flexibilität beim Design, dass für zukünftige Datacenter-Module zukünftige Technologien zum Einsatz kommen. Auch hierin haben Rechenzentrumsmodule entscheidende Vorteile gegenüber Gebäuden, bei denen technologische Um- oder Nachrüstung entweder sehr aufwändig oder aber betriebswirtschaftlich unsinnig ist.

Die Zertifizierbarkeit

Wer nun glaubt, dass man sich diese Vorteile mit Nachteilen bei der Sicherheit und Zertifizierung erkauft, der irrt, zumindest bei den „Safe" Datacenter-Modulen der genannten Anbieter. In ihnen stecken über 20 Jahre Erfahrung und weit über 600 Installationen weltweit, zum Teil in rauen klimatischen und industriellen Umgebungen. Die aktuell größte und modernste Installation befindet sich am CERN in Genf mit zehn der Safe-Produkte für insgesamt 5 Megawatt HPC-Leistung, aufgeteilt auf zwei modulare Rechenzentrumsanlagen.

Plant man nicht nur die Skalierung, sondern auch die je nach Branche notwendige Zertifizierung bereits in der Konzeptionsphase und beim Modul-Design mit ein, ergeben sich weitere Vorteile. Bereits eine Rechenzentrumsanlage mit nur zwei Datacenter-Modulen kann bei entsprechender Konzeption Sicherheitslevel 3 oder 3+ erreichen. Zwei Module bedeuten nämlich nicht nur zwei komplett getrennte Brandabschnitte, sie ermöglichen auch erhöhte Redundanz und Ausfallsicherheit.

Das betrifft nicht nur die Kühlsysteme, sondern ebenso die Netz- und Notstrom-Versorgung sowie die USV, die für beide Module über Kreuz ausgelegt, die notwendige Redundanz liefern. Sicherheitslevel 4 kann so schon mit drei Modulen erzielt werden, die notwendige Redundanz bei den Netzanbietern vorausgesetzt. Georedundanz versteht sich bei modularer Konzeption von selbst. Sie kann bei Bedarf sogar nachträglich umgesetzt werden.

Die Datacenter-Module des MRZ sind gemäß ISO9001 industriell gefertigt. Die Abnahme nach DIN EN50600:2019 erfolgte durch den TÜV Hessen.
Die Datacenter-Module des MRZ sind gemäß ISO9001 industriell gefertigt. Die Abnahme nach DIN EN50600:2019 erfolgte durch den TÜV Hessen.
(Bild: ITecon Gruppe)

Entsprechende TÜV-Zertifizierungen, zum Beispiel nach DIN EN 50600 oder durch das Uptime-Institut, sind für die Safe Modular Datacenter üblich. Sie erfolgen, wie bei allgemeinen und auch branchenspezifischen Zertifizierungen gefordert, am Einsatzort. Ihre Anforderungen an das Modul-Design beziehungsweise die Konzeption der Gesamtanlage werden aber schon in der Planungsphase berücksichtigt. Das macht die Rezertifizierung bei identischen Modulen, die nach und nach erweitert werden, leichter.

Auch technologische Fortschritte bei zukünftigen Modulen, etwa modernere und effizientere Klimatechnologien, sind unter diesem Gesichtspunkt einfacher als im Gebäude-Datacenter realisierbar, weil der Technologie-Mix nicht innerhalb eines Moduls erfolgt. Modularität, Skalierbarkeit, Sicherheit und Zertifizierbarkeit sind also keine Widersprüche, sie unterstreichen vielmehr die Vorteile der Datacenter-Module gegenüber dem starren Rechenzentrumsbau.

*Rainer Hilsenbeck ist Geschäftsführer der Arvenio GmbH, die auf die Markteinführung neuer IT-Technik im deutschsprachigen Raum spezialisiert ist, so unter anderem auch für die „Safe Datacenter-Module“ der ITecon Modular Datacenters. Er wird auf dem diesjährigen DataCenter Day als Moderator fungieren.

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