Channel Fokus: Digital Learning DigitalPakt Schule: Ehrenrunde gefällig?
Halbzeit. Nach fast drei Jahren DigitalPakt Schule ist in deutschen Schulen einiges in Sachen Digitalisierung ins Rollen gekommen. Die Corona-Pandemie hat dazu einen weiteren Beitrag geleistet. Doch wie ist der Status quo, und was kommt danach?
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Eigentlich ist alles ganz einfach: Lernvideos oder Filme anschauen. Auf dem Tablet recherchieren, mit dem Pen Notizen machen und eigene kleine Videos drehen. Die Möglichkeiten von digitalen Medien im Unterricht sind beachtlich. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus, wie Friedrich Schröder, Geschäftsführer der eignen System-Beratung berichtet: „In Schulen fehlen eine schnelle Internetanbindung und ausreichend Geräte für Schüler und Lehrer.“
Diesen Eindruck bestätigt eine Studie der Universität Göttingen unter 3.500 Lehrkräften. Demnach hat fast jede zweite Schule kein WLAN für Schüler, und 43 Prozent der Lehrer geben an, dass es nicht genug digitale Endgeräte für den Unterricht gibt. Darüber hinaus beklagen 50 Prozent, keine technische Unterstützung zu bekommen. Die typische Behelfslösung ist eine Lehrkraft, die es nebenbei macht.
Gebraucht wird an Schulen ein Gesamtkonzept aus Netzwerk, Sicherheit, Endgeräten zur Präsentation und Eigenarbeit sowie eine Cloud-Plattform. Abgerundet wird es mit entsprechenden Services und Schulungen. Ein Angebot, das der Fachhandel in Unternehmen täglich implementiert. Wieso nicht auch für Schulen? „Sie haben andere Bedürfnisse als klassische Unternehmen. Datensicherheit spielt hier sicherlich nochmal eine zentralere Rolle,“ antwortet Stefan Sutor, Channel Marketing Manager bei ADN.
6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen
Mit dem DigitalPakt Schule wurden im Mai 2019 vom Bund fünf Milliarden Euro für fehlende Infrastrukturen an Schulen bereitgestellt. Mit dem Geld sollten separate Netzwerke für Klassenzimmer aufgebaut und diese mit digitalen Whiteboards oder interaktiven Displays ausgestattet werden. Geräte für Schüler und Lehrkräfte waren bis dato nicht vorgesehen.
Und dann kam Corona, und plötzlich benötigten Schulen kein WLAN, sondern Werkzeuge für Lehrkräfte, um virtuell zu unterrichten und zusammenzuarbeiten. Also wurden weitere Fördertöpfe mit jeweils 500 Millionen Euro vom Bund auf den Weg gebracht. Im Juli 2020 kam die Coronahilfe I für mobile Endgeräte für Schüler sowie für die Erstellung von Online Lehrmaterial. Im November 2020 wurde die Coronahilfe II für IT-Administratoren und Anfang 2021 die Coronahilfe III für Leihgeräte für Lehrkräfte verabschiedet. Verteilt werden die Bundesmittel auf die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel. Außerdem ergänzen die Länder die Mittel durch einen Eigenanteil von zehn Prozent.
Gelder kommen nur langsam an
Die Frist des DigitalPakts ist 2024. Jetzt ist Halbzeit. Und die Bilanz ist kritisch. Denn das Geld aus dem DigitalPakt kommt nur langsam in den Schulen an. Von den nun insgesamt 6,5 Milliarden Euro wurden bis zum Stichtag am 30. Juli 2021 nur ein geringer Teil abgerufen.
Laut dem Bericht des Bundesbildungsministeriums wurden bis dato nur 825 Millionen abgerufen. Beantragt und bewilligt, aber noch nicht abgerufen, waren rund 1,4 Milliarden Euro. Es wurde davon ausgegangen, dass bis Ende 2021 insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro abgerufen sein werden. Demnach sind zwei Drittel des Fördertopfes bisher noch immer ungenutzt und auch noch nicht verplant.
Wirft man einen genaueren Blick auf die Zahlen, zeigt sich, dass von dem ursprünglichen DigitalPakt bisher nur 189 Millionen Euro abgerufen wurden. Vielmehr flossen die Mittel konzeptbedingt zuerst aus den Zusatzprogrammen. Die Corona-Hilfe I für Leihgeräte für Schüler ist mit 470 Millionen Euro so gut wie ausgeschöpft. Für Lehrkräfte-Laptops wurden bisher 192 Millionen Euro abgerufen. Und für IT-Administratoren? Aus diesem Topf ist bisher kaum Geld geflossen, nur knapp 9.000 Euro.
Bürokratie hemmt den DigitalPakt
Nur 35 Prozent wurden bisher aus dem DigitalPakt Schule beantragt oder abgerufen. Als Gründe für die schleppende Umsetzung werden vor allem die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie wie Verzögerungen bei Handwerks- und Installationsarbeiten oder Lieferengpässe bei IT-Beschaffungen genannt.
Zudem gibt es einen Unterschied zwischen bereits bewilligten Mitteln und den ausgezahlten Fördergeldern, wie Sandra Boser, Staatssekretärin, MdL, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden Württemberg, erklärt. Die Auszahlung erfolgt erst nach der Endabrechnung. Außerdem seien einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) zufolge personelle Engpässe in der Fachverwaltung sowie die komplizierten Antragsverfahren für die Verzögerung verantwortlich. Im Rahmen der Umfrage wurden im Mai 2021 im Auftrag der KfW 266 Kommunen befragt.
Die Studie zeigt allerdings auch den Fortschritt: 60 Prozent geben an, bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Digitalisierung in Angriff genommen zu haben, wie WLAN (73 %), einen Breitbandanschluss (66 %) sowie Präsentationstechnik (67 %). Besonders hoch ist der Anteil bei der Beschaffung von Endgeräten (78 %).
Devices für den Bildungssektor
Neue Windows-Notebooks und auch Chromebooks speziell für die Bildungssektor bringen derzeit etliche Hersteller auf den Markt. Für den hiesigen Markt sind dabei vor allem die Windows-Geräte interessant. Sie können entweder mit Windows 11 Pro Education oder Windows 11 SE geordert werden. Letzteres ist eine neue Windows-Version speziell für Education-Geräte. Sie ist primär für die Nutzung webbasierter Applikationen bestimmt, lässt aber mit gewissen Einschränkungen auch die Nutzung herkömmlicher Windows-Programme und Apps zu. Deren Installation via Intune ist IT-Administratoren vorbehalten. Allerdings stehen ihnen nur Programme und Apps zur Verfügung, die auf einer durch Microsoft gepflegten Liste stehen. Die Nutzung weiterer Programme können Schulträger über ein Online-Formular anfordern.
Die Geräte selbst, etwa die Fortis-Geräte von HP sowie die neuen Travelmate-Modelle von Acer, sind speziell für den harten Schulalltag ausgelegt. Sie verfügen über verstärkte Kunststoffgehäuse, die Stürze aus mehr als einem Meter Höhe überstehen, und bieten flüssigkeitsresistente Keyboards. Zudem lassen sich die Kappen der Keyboards nicht leicht abziehen. Acer schickt mit den Modellen Travelmate B3 und Travelmate Spin B3 zwei 11,6-Zöller ins Rennen um die Klassenzimmer. HP bietet neben dem 11,6-Zoll-Convertible Pro x360 Fortis 11 noch ein 14-Zoll Probook Fortis an, das für komplexere Aufgaben in Schule oder Universität bestimmt ist.
Schulen sind kein Zuckerschlecken für den Channel
Geräte, Wille und Geld sind auf jeden Fall da. Und für den ITK-Channel winken auch üppige Aufträge, wenn er die Anforderungen der Schulen erfüllt. Insbesondere die Mittel des dritten Fördertopfes sind nicht zur Verstärkung der internen IT-Administration, sondern auch für Dienstleister bestimmt. Doch der Bildungsmarkt ist für Systemhäuser oft nicht leicht, denn langsame Verfahren, starre Hierarchien und komplexe Bürokratie erschweren das Geschäft. „Es dauert zu lange, bis alle Instanzen durchlaufen sind, um die Budgets freizugeben. Das erschwert es, eine verbindliche Kostenkalkulation anzusetzen“, klagt Rainer Schröder, Senior Support Specialist bei German V.
Außerdem herrscht in der Schulverwaltung oft viel Unsicherheit, was gefördert wird und welche Technologien die richtigen sind. Darüber hinaus stoßen Systemhäuser bei Schulen oft auf wenig IT-Kompetenz und fehlendes Basiswissen, wie Gerd Oberle, Techniker bei B&B Service E. Oberle aus seinem Alltag mit Lehrkräften erzählt. Das macht das tägliche Geschäft vor allem beratungs- und zeitintensiv. Dr. Janina-Vanessa Schneider, Business Development Manager Vertical Markets bei Also, zufolge ist es ein Vorteil, wenn Partner sich schon im Bereich von öffentlichen Auftraggebern auskennen. Des Weiteren sei es zu beachten, dass es im Bildungssektor um Projektgeschäft geht, oft mit längeren Projektzyklen.
IT-Unternehmen können einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie Schulen und Schulträger bei der Ausarbeitung ganzheitlicher Digitalstrategien unterstützen.
Partner sind jedoch beim Geschäft im Bildungssektor nicht allein. Die Distribution fungiert dabei als „Unterstützer im Hintergrund“ wie Schneider verdeutlicht: „Wir helfen dabei, einen Überblick über die ganze Bandbreite der Technologien zu bekommen und herstellerübergreifende Lösungen für den Bildungssektor zu schaffen, die Resellern helfen, Schulen optimal auszustatten.“ Dazu ergänzt Sutor von ADN: „So ein Gesamt-Konzept muss natürlich speziell auf die besonderen Bedürfnisse von Schulen zugeschnitten werden. Genau hier können wir in Zusammenarbeit mit unseren IT-Fachpartnern helfen. Sichere Endgeräte und der Zugriff in die Cloud sind hier sicher ein guter Schritt. Jedoch müssen auch Faktoren wie die Sicherheit der Daten berücksichtigt werden. Hier haben gerade Schulen erhöhte Bedürfnisse, die wir mit den richtigen Lösungen und Services problemlos erfüllen können.“
DigitalPakt 2.0 bis 2030
Und wie geht es weiter? Dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, ist bekannt, auch in der Politik und in den Schulen. Mithilfe des DigitalPakts erhalten deutsche Schulen eine Basis an Ausstattung und vor allem Infrastruktur. Die Staatssekretärin Boser warnt jedoch, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. „Aus meiner Sicht besteht eine gewisse Gefahr, dass wir in einigen Jahren wieder an einer ähnlichen Stelle sind, wie wir sie 2018 schon hatten, dass heute installierte Technik teilweise wieder veraltet und nicht mehr funktionstüchtig ist und dass manchen Schulträgern die Kosten für Wartung und Support über den Kopf wachsen, wenn viele verschiedene Lösungen und unterschiedliche Programme beschafft wurden.“ Die Lösung sieht sie in einer langfristigen Finanzierung und Unterstützung.
Die Difu-Studie sagt außerdem, dass 96 Prozent der Befragten von einem dauerhaften Bedarf an Technik ausgehen und über das Fehlen einer langfristigen Planungssicherheit klagen. Der Ruf nach einer Verlängerung des DigitalPakts über die Frist hinaus wird immer lauter. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist schon von einem DigitalPakt 2.0 mit einer Laufzeit bis 2030 die Rede. Er soll die „nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration“ umfassen.
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